Mehr Müll oder Sozialpolitik mit Flaschenpfand – Ein Kommentar

Müllkippe im Greifswalder Wintermärchen
Müllkippe im Greifswalder Wintermärchen

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, zu prüfen, inwieweit die Nutzung so genannter Pfandringe bzw. ähnlicher Pfandablagesysteme an geeigneten öffentlichen Plätzen in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald erfolgen kann. Ziel soll es sein, dass möglichst wenig Einweg- und Mehrwegpfandflaschen im Müll und dabei insbesondere in öffentlichen Müllbehältern landen. Wichtige Kriterien der Prüfung sollten Robustheit, Praktikabilität und Kosten der verschiedenen Lösungsansätze sein. Und natürlich sollen sie die Entleerung von Müllbehältern und damit die Arbeit der zuständigen Mitarbeiter der Stadt nicht erschweren.
Drucksachen-Nr. 06/1061

Der Dumme lernt aus seinen Fehlern, der Kluge aus den Fehlern der anderen meinte Konfuzius, zumindest liegt die von der Fraktion Die Linke eingebrachte Drucksache 06/1061 als Prüfantrag vor, so dass es wohl Ignoranz ist, die Stadtverwaltung mit unnötigen Prüfaufträgen zu beschäftigen, welche schon seit einigen Jahren in zahlreichen anderen Städten mit negativen Ergebnissen endeten. Die Idee des Pfandrings beruht darauf, dass Leute ihre Pfandflaschen in diese an den Papierkörben befestigten Vorrichtungen abstellen, während Flaschensammler an diese gelangen können, ohne dafür in den Abfallbehältern wühlen zu müssen.

Schon seit 2011 gibt es die Initiative Pfand gehört daneben, welche die Leute dazu aufruft, ihre Pfandflaschen neben die Mülleimer zu stellen, anstatt sie in diese zuwerfen. Wenn Menschen es nötig haben, ihren Lebensunterhalt mit Flaschenpfand bestreiten zu müssen, dann ist es eher eine verfehlte Sozialpolitik, welche man anprangern müsste, anstatt die Auswüchse mit unnötigen und zudem überteuerten Vorrichtungen an Mülleimern für alle sichtbar zu machen.

Wer die Initiative Pfand gehört daneben unterstützt, braucht keinen solchen Pfandring, wer es nicht macht, wirft die Flaschen auch in Abfallbehälter mit einem Pfandring. Da diese an die unterschiedlichen Mülleimerformen angepasst werden müssen, kostet ein einzelnes Exemplar mehrere hundert Euro, bei größeren Stückzahlen würde sich der Preis pro Stück in etwa halbieren. Die im Shop von pfandring.de angebotenen Standardprodukte, sind für die Abfallbehälter des Herstellers konzipiert, welcher die Pfandringe im Auftrag produziert, zudem bewirbt man hier mit den mengenrabattierten Preisen.

Der Abfallbehälter NORANDA kostet 519,00 Euro, der Pfandring für Abfallbehälter NORANDA 199,90 Euro. Der beworbene Preis von 75,50 Euro kommt aber erst zustande, wenn man über hundert Exemplare kauft. Da die Preise im Shop aber Nettopreise sind, kostet ein einzelner Pfandring happige 237,88 Euro, was einen Gegenwert von 2974 Pfandflaschen darstellt. Da die Pfandringe zudem als Gebrauchsmuster geschützt sind und zudem exklusiv gefertigt werden, braucht man zumindest für diese Lösung kein Gegenangebot mehr einzuholen.

Im Laufe der Zeit probierten zahlreiche Städte dieses Konzept aus, die Stadt Köln beauftragte sogar ein Gutachten, welches die Mengen an Pfandflaschen in den Papierkörben ermittelte, um schließlich festzustellen, dass solche Pfandsammelsysteme den Anteil lediglich geringfügig und nicht signifikant reduzierten. Zudem war die Sauberkeit im unmittelbaren Umkreis von Standorten mit Pfandringen geringfügig schlechter. Das Problem mit der Sauberkeit hatten auch andere Städte, welche diese Systeme testeten.

Am Busbahnhof von Bamberg wurde ein Pfandring installiert, der zum Teil mit pfandfreien Flaschen befüllt wurde. In Bielefeld scheiterte ein Versuch mit vierundzwanzig Pfandringen, in denen sich meistens pfandfreie Flaschen und sonstige Abfälle befanden. In den Städten Moers und Münster waren Pfandflaschen recht selten zu finden, dafür wurde der Platz für das Abstellen von Einwegkaffeebechern genutzt. In den Städten Magdeburg, Karlsruhe und Ingolstadt wiederum konnte kein Nutzen der Pfandringe festgestellt werden, dafür aber negative Erfahrungen.

In Bremen beklagte man zudem verschüttete Flüssigkeiten, welche die Reinigung der Behälter notwendig machte. In Düren wiederum wurde der Pilotversuch mit zwei Pfandboxen abgeblasen, weil diese wiederholt Opfer von Vandalismus wurden. Dass durch das Anbringung der Pfandringe an den Abfallbehältern die Gewährleistung des Herstellers der Papierkörbe erlosch musste die Stadt Coburg erfahren. Auch in Greifswald Partnerstadt Osnabrück wurden die Pfandringe an mehreren Standorten ausprobiert. Das Ergebnis waren abgestellte Kaffebecher, zudem Müll, der hier abgelagert wurde, statt in die Mülltonnen zu schmeißen, und das Umfeld der Müllschlucker verschmutzte.

Dieses waren übrigens sogenannte Big Bellys, welche mit einer solarbetriebenen Presse den Abfall verdichten. Dadurch kam es einem beträchtlichen Mehraufwand bei den Leerungen, da der Müll von Hand aufgelesen werden musste. In Köln bezifferte man den Mehraufwand bei der Leerung von Abfallbehältern mit Pfandsystem übrigens mit dreißig Prozent. In München, Nürnberg und Aachen sah man wegen der nicht vorhandenen Ästhetik und mangelhaften Funktionalität der Pfandablagesysteme davon ab, das Stadtbild damit zu verschandeln.

Und warum sollte es in Greifswald anders sein?