Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit oder Wie die Alternative Liste es schaffte, mit nur wenigen Worten halb Greifswald herabzuwürdigen

Alternative Liste
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Unter dem Motto „Das wollen die Parteien“ fragt die Ostsee-Zeitung die zur Bürgerschaftswahl antretenden Parteien und Wählergruppen, zuletzt zum Thema Kultur. Was den dafür zuständigen Redakteur dabei bewog, die dümmliche Frage zu stellen, ob Festivals wie die Bachwoche und die Jazz Evenings noch zeitgemäß sind, weiß nur er, als Veranstalter würde man diese Fragestellung jedenfalls als unverschämt bewerten. Zumindest sprangen nicht alle Befragten über das ihnen vorgehaltene Stöckchen, man muss schon bis zum Schluss lesen, um zu sehen wie die Spitzenkandidatin der Alternative Liste Hulda Kalhorn Anlauf nimmt, das Stöckchen mit Leichtigkeit nimmt, um anschließend in einem übergroßen Fettnapf zu landen.

Warum die Alternative Liste für die Beantwortung der Fragen nicht Dr. Ulrich Rose bemüht hat, dem man ein kulturelles Interesse glaubhaft abnehmen kann, sondern eine Schülerin, die, was die Kulturpolitik betrifft, sich mit völliger Kompetenzbefreitheit in Szene setzt. Aber nicht nur das, auch die Wortwahl lässt einiges zu wünschen übrig, denn ohne eine Abwertung der älteren Generationen kann die heutige Jugend offenbar nicht mehr glänzen. Zum besseren Verständnis sind die besagten Passagen der Antwort entsprechend fett markiert:

Greifswalds Kulturkalender ist prall gefüllt, viele Veranstaltungen seit Jahren etabliert. Sind Festivals wie die Bachwoche und die Jazz Evenings noch zeitgemäß? Falls nein, welche Alternativen schlagen Sie vor?

Zu diesen beiden Events müssen sich die Veranstalter_innen [sic] Gedanken machen, wie sie sie aktualisieren – die Bachwoche hat jetzt mit dem Wechsel der Leitung eine gute Gelegenheit dazu, nicht nur silberlockige Best Agers anzusprechen, die Jazz Evenings sind eine ausschließlich städtisch organisierte und am Leben gehaltene Musikveranstaltung, die gut besucht ist und daher natürlich bleiben muss – auch wenn die DDR-Free-Jazz-Größen es nicht mehr auf die Bühne schaffen.

Wichtiger aber als diese beiden Events sind der Nordische Klang und der Polenmarkt, die ein zukunftsträchtigeres Publikum ansprechen und ein echtes Alleinstellungsmerkmal für Greifswald darstellen. Für diese beiden sollte sich die Stadt stärker engagieren, als sie es momentan tut.

Ostsee-Zeitung

Sie fängt schon mal gleich damit an, die Forderung aufzustellen, dass sich die in der Frage genannten Festivals ändern müssen. Woher sie sich eigentlich das Recht nimmt, eine solche Forderung aufzustellen ist eine Sache, die keinerlei Grundlage hat, dann auch noch keinerlei Begründung zu liefern, eine andere. Recht unverschämt wird es ein paar Wörter weiter, wo die Besucher des Festivals als silberlockige Best Agers verunglimpft werden. Diese kommen im Gegensatz zu den DDR-Free-Jazz-Größen noch relativ gut weg, denn diese schaffen es nach ihrer Meinung wohl nicht mal mehr auf die Bühne, so alt wie diese schon sind.

Den Vogel schießt die Spitzenkraft der Alternativen Liste aber ab, indem sie dem Nordischen Klang und dem polenmARkT ein zukunftsträchtigeres Publikum bescheinigt. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist übrigens der wissenschaftliche Fachausdruck für das Verhalten, welches die Alternativen Liste an den Tag legte, übrigens eine Wählergruppe, die auf ihren lächerlicherweise mit Öffentliche Bekanntmachung betitelten Wahlplakaten eine offene Gesellschaft der Akzeptanz fordert.

Die Eldenaer Jazz Evenings werden vom Amt für Bildung, Kultur und Sport der Universitäts- und Hansestadt Greifswald in Kooperation mit dem Kunstverein art SIEBEN Greifswald/Vorpommern e.V. und WhyPlayJazz veranstaltet, weshalb das Festival nach ihrer Meinung eine „ausschließlich städtisch organisierte und am Leben gehaltene Musikveranstaltung“ sein soll, erschließt sich nicht wirklich. Die bekannten Gesichter aus DDR-Zeiten sieht man dann doch eher weniger, weil sich das Konzept des Festivals in den letzten Jahren stark verändert hat. Zum einen werden durch die Eldenaer Jazz Evenings Nachwuchsformationen gefördert, es gibt sogar einen Auftrittspreis bei Jugend Jazzt, den im letzten Jahr das Quintett Zuviert gewonnen hat, und einen Beitrag aus dem Ostseeraum, den in diesem Jahr das dänische Quintett Girls in Airports bestreitet.

Die Greifswalder Bachwoche wiederum ist als Festival geistlicher Musik thematisch etwas schwieriger zu gestalten, trotzdem finden sich im Programm des Festivals Kinderkonzerte, Jazzkonzerte und von Zeit zu Zeit ein größeres Jugend-Tanz-Projekt. In diesem Jahr führt Stefano Fossat das Tanzstück mit dem Titel fysi zusammen mit Jugendlichen aus dem Humboldt-Gymnasium auf. Einen Kommentar zur Kategorisierung von Menschen in zukunftsträchtiges und nicht zukunftsträchtiges Publikum kann man sich sparen, die getätigte Aussage spricht für sich. Die Alternative Liste ruft auf ihrem Wahlplakat dazu auf, sorgfältig mit den Stimmen umzugehen. Ein paar Tage hat man noch die Gelegenheit dieses zu tun!