Braucht Greifswald ein Bürgerschaft-TV?

Rathaus Greifswald
Rathaus Greifswald

Mit fast viertausend Quadratkilometern ist der Landkreis Vorpommern-Greifswald flächenmäßig einer der größten Landkreise Deutschlands. Da er eine langgestreckte Form besitzt, fallen die Wege entsprechend lang aus, um von anderen Ende des Landkreises in die Kreisstadt zu kommen. Da der Kreistag aber nicht nur in Greifswald, sondern auch in Pasewalk tagt und die Sitzungen schon am Nachmittag beginnen, sind diese für die meisten politisch interessierten Bewohner des Landkreises schwer zu erreichen. Zumindest gibt es schon seit mehreren Jahren einen Livestream der Sitzungen, so dass man diese auch in der entferntesten Ecke des Landkreises verfolgen kann, vorausgesetzt man wohnt nicht direkt an einer Milchkanne, denn dort ist für gewöhnlich kein Empfang. Zugegeben, der Stream des Kreistages ist relativ lieblos gemacht, fokussiert er eigentlich nur das Rednerpult, welches die Hälfte der Zeit unbesetzt ist und nicht die beste Perspektive bietet.

Redebeiträge aus dem Präsidium und dem Plenum sind für die Zuschauer nur Stimmen aus dem Off. Wer mit der spartanischen Darstellung leben kann, bekommt trotz der offensichtlichen Mängel eine ungefilterte Berichterstattung aus dem Kreistag und kann sich so ein besseres Bild von der Kommunalpolitik und ihren Protagonisten machen. Die Anzahl der interessierten Leute dürfte sich zwar in Grenzen halten, der Livestream bietet aber mit seiner Existenz ein Stück mehr Öffentlichkeit. Damit ist der Kreistag deutlich weiter als die Bürgerschaft der Universitäts-und Hansestadt Greifswald, welche seit dieser Wahlperiode sogar mit weniger Plätzen für die interessierten Zuschauer auskommen will. In diese Kerbe schlägt nun die Fraktion Die Linke und Partei Mensch Umwelt und Tierschutz, welche einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht hat, der einen Livestream der öffentlichen Sitzungen der Bürgerschaftsgremien fordert, der auch nach der Sitzung auf der Website der Stadt in einer Mediathek aufrufbar sein soll.

Dieses Angebot soll ab September umgesetzt und auch barrierefrei verfügbar sein. Mit diesem soll die Transparenz der Kommunalpolitik und damit das Vertrauen in sie erhöht, und damit mehr Bürgernähe realisiert werden. Begründet wird die Forderung nach einem Livestream damit, dass viele Bürger aus beruflichen, gesundheitlichen oder familiären Gründen nicht an den Sitzungen der Bürgerschaftsgremien teilnehmen können und damit von der passiven Teilnahme an demokratischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen sind. Es wird mit einer Nachvollziehbarkeit von mündlich vorgebrachten Argumenten und Abwägungen argumentiert, die in der medialen Berichtserstattung oft recht einseitig wiedergegeben werden. Zu den Sitzungen, die live übertragen werden sollen, sollen nicht nur diejenigen der Bürgerschaft und der Fachausschüsse gehören, sondern auch die der Ortsteilvertretungen. Bei der Bürgerschaft und den Fachausschüssen dürfte es zumindest keine bis wenig Probleme geben, eine Lösung im Rathaus zu realisieren.

Theoretisch könnte man die notwendige Technik im Bürgerschaftssaal und im Senatssaal fest verbauen, so dass man später keinen unnötigen Aufwand damit hat. Schwieriger und technisch aufwendiger wird es aber, wenn diese Ausschüsse mal an einem anderen Ort tagen. Auch bestimmte Ortsteilvertretungen tagen nicht immer am selben Ort. Ob man den technischen Aufwand für diese Sitzungen treiben möchte, dürfte fraglich sein. Außerdem finden diese Sitzungen meist zeitglich statt, was die ganze Sache weiter verkomplizieren würde. Realistisch dürften daher fürs erste nur die Übertragungen aus dem Rathaus sein, vorausgesetzt, es findet sich eine Mehrheit für diesen Vorschlag in der Bürgerschaft. In dieser wird mit einer gewissen Regelmäßigkeit vorgeworfen, den Populismus nur zu betreiben, damit die Ostsee-Zeitung am nächsten Tag was zu schreiben hat. Zumindest könnten sich dann die Greifswalder selbst ein Bild von der rhetorischen Kampfarena machen, zu der die Greifswalder Bürgerschaft zeitweise mutiert.