Beschluss der Landesregierung gegen Corona-Ausbreitung in Mecklenburg-Vorpommern

Schweriner Schloss
Schweriner Schloss

(Staatskanzlei) Die Landesregierung hat heute im Einvernehmen mit den Landkreisen und kreisfreien Städten 10 Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus beschlossen. Anbei finden Sie den Beschluss im Wortlaut:

Entschlossen, besonnen und solidarisch – 10 Maßnahmen gegen die Corona-Ausbreitung in Mecklenburg-Vorpommern

Das neue Corona-Virus breitet sich mit zunehmender Dynamik auch in Deutschland und Mecklenburg-Vorpommern aus. Unser aller Verhalten in den nächsten Wochen wird entscheidend dafür sein, ob es gelingt, die weitere Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Die Gesundheit der Bevölkerung hat höchste Priorität. Daher brauchen wir entschlossene Maßnahmen: ein Höchstmaß an Isolation, Quarantäne und sozialer Distanz. Wir appellieren insofern an das Verständnis und die aktive Mitwirkung aller Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmerinnen und Unternehmer. Nur so haben wir eine Chance, dass sich in der nächsten Zeit so wenige Menschen wie möglich anstecken.

Die Landesregierung beschließt im Einvernehmen mit den Landkreisen und kreisfreien Städten deshalb folgende Maßnahmen:

Medizinische Versorgung

Die Landesregierung fordert die Krankenhäuser auf, jetzt den Einsatz der Ärztinnen und Ärzte, des Pflegepersonals und des weiteren Personals, das notwendig ist, um intensivpflichtige Menschen zu behandeln, so zu planen und zu erhöhen, dass die Durchhaltefähigkeit der Intensiv- und Beatmungsbetten in ihren Kliniken gestärkt wird.

Ziel ist es, dass sich die Krankenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern auf den zu erwartenden steigenden Bedarf an Intensiv- und Beatmungskapazitäten zur Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen durch Covid-19 konzentrieren, und dass, soweit medizinisch vertretbar, grundsätzlich alle planbaren Aufnahmen, Operationen und Eingriffe in allen Krankenhäusern ab sofort auf unbestimmte Zeit verschoben und ausgesetzt werden. Im Auftrag der Landesregierung werden zusätzliche Beatmungsgeräte beschafft.

Um die hausärztlichen Praxen zu entlasten, werden 9 Corona-Testzentren ab Montag, den 16.03.2020, den Betrieb aufgenommen haben, im Laufe der nächsten Woche kommen drei weitere Testzentren hinzu. Weitere werden bei Bedarf entwickelt. Den niedergelassenen Ärzten kommt hier eine besondere Bedeutung zu, die kassenärztliche Vereinigung steht in der Pflicht zu kooperieren. Die Gesundheitsämter werden weiter gestärkt.

Veranstaltungen

Veranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmenden sind bis auf Weiteres untersagt. Veranstaltungen mit weniger als 50 Teilnehmenden sind nur dann durchzuführen, sofern sie zwingend notwendig sind. Ausnahmen aus wichtigen Gründen bedürfen einer Genehmigung der zuständigen Behörde.

Das Wirtschafts- und Gesundheitsministerium wird unverzüglich entsprechende Regelungen erlassen.

Schulen, Kindertagesstätten, Hochschulen und Universitäten

Ab dem 16.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 sind alle Kindertageseinrichtungen und Horte sowie Einrichtungen der Tagespflege, öffentlichen und privaten Schulen, Berufsschulen sowie Internate zu schließen. Um den Übergang zur Umsetzung in die Praxis zu erleichtern, wird der Montag, 16.03.2020, als Übergangstag genutzt.

Ziel ist es, dass die Kinder und Jugendlichen in erster Linie zu Hause betreut werden und Kontakt zu Risikogruppen dadurch vermieden wird. Der Aufbau von Parallelstrukturen ist nicht zulässig.

Im Rahmen einer Notfallbetreuung ist für die Kindertagesförderung und für die Jahrgangsstufen 1 bis 6 in der Schule ein pädagogisches Betreuungsangebot – bei dringendem Bedarf – grundsätzlich nur für Kinder von Beschäftigten vorzuhalten, die mit der Wahrnehmung von Aufgaben zur Sicherung und Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung betraut sind, wie z. B. folgende Bereiche:

a) Feuerwehr (Berufsfeuerwehren und Schwerpunktfeuerwehren),
b) Polizei,
c) Strafvollzugsdienst,
d) Rettungsdienst,
e) medizinische Einrichtungen inklusive Apotheken,
f) Justizeinrichtungen,
g) ambulante und stationäre Pflegedienste,
h) stationäre Betreuungseinrichtungen (z. B. für Hilfen zur Erziehung),
i) die Produktion und die Versorgung mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs,
j) Kommunale und Landesbehörden, Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, Einrichtungen und kommunale Unternehmen, soweit notwendig pflichtige Aufgaben und Aufgaben der Daseinsvorsorge (z. B. Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung, ÖPNV) zwingend wahrzunehmen sind.
Dabei ist restriktiv zu verfahren.

Eine solche Betreuung ist für die Schulen durch die Schulleitung und für die Kindertagesförderung durch die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe in begründeten Ausnahmefällen sicherzustellen. Dabei können die Anforderungen der §§ 1 bis 3, 6 bis 23 KiföG M-V außer Acht gelassen werden. Die Betreuung von Schülerinnen und Schülern mit komplexen Behinderungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist unabhängig von Alter oder Beschäftigungssituation der Erziehungsberechtigten immer sicherzustellen.

An allen Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern wird ab dem 16.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 der Beginn des Lehr- und Veranstaltungsbetriebes ausgesetzt bzw. der bereits begonnene Vorlesungsbetrieb unterbrochen. Dies gilt ebenfalls für den Lehrbetrieb am Standort der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege in Güstrow. Außerdem dürfen Mensen und Cafeterien an den Hochschulstandorten in diesem Zeitraum nicht betrieben werden.

Das Bildungsministerium wird gebeten, die bevorstehenden Prüfungen zur mittleren Reife, Fachhochschulreife und Abitur sicherzustellen. Das Bildungsministerium, das Innenministerium, das Justizministerium, das Finanzministerium und das Sozialministerium werden gebeten, unverzüglich entsprechende Regelungen zu erlassen.

Alten- und Pflegeheime, Medizinische Einrichtungen

Die Landesregierung richtet ihre Bemühungen vor allem darauf, durch COVID-19 besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen, d. h. Ältere, Hochbetagte und chronisch Kranke zu schützen. Aus Gründen der Prävention dürfen Alten- und Pflegeheime sowie Krankenhäuser ab dem 15.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 grundsätzlich nicht von Besuchern betreten werden. Dies gilt ebenfalls für Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken sowie stationäre Betreuungseinrichtungen. Dazu werden Empfehlungen für Bewohner und Personal auf der Grundlage der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts erarbeitet und an die Einrichtungen verteilt. Ausnahmen hiervon regeln die jeweiligen Einrichtungsleitungen.

Das Sozial- sowie das Wirtschafts- und Gesundheitsministerium werden unverzüglich entsprechende Regelungen erlassen.

Öffentliche Einrichtungen

Öffentliche Einrichtungen wie Museen, Bibliotheken, Schwimmbäder, Theater, Sporthallen, Schlösser und Informationszentren wie z. B. der Nationalparkverwaltungen sind ab dem 15.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 zu schließen. Private Betreiber sollten dieser Regelung folgen.

Die zuständigen Ressorts und kommunalen Träger werden gebeten, unverzüglich entsprechende Regelungen erlassen.

Rückkehrer aus Risikogebieten

Personen, die sich innerhalb der letzten 14 Tage in einem Risikogebiet oder einem besonders betroffenen Gebiet der jeweils aktuellen Festlegung durch das Robert-Koch-Institut (RKI) aufgehalten haben, sollen für einen Zeitraum von 14 Tagen seit Rückkehr aus dem Risikogebiet oder einem besonders betroffenen Gebiet im häuslichen Bereich arbeiten. Jedenfalls dürfen diese Personen insbesondere folgende Einrichtungen nicht betreten:

Kindertagesstätten
Horte
Tagespflegestellen
Schulen und Heime, in denen überwiegend minderjährige Kinder betreut werden
Krankenhäuser
Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt
Dialyseeinrichtungen
Tageskliniken
Entbindungseinrichtungen
Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Behindertenhilfe
Berufsschulen und Hochschulen
Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung
Für Beschäftigte, die in den Bereichen der Daseinsvorsorge, wie unter Ziff. 3 benannt, tätig sind, werden Kriterien beziehungsweise erforderliche Maßnahmen im Einvernehmen mit den Gesundheitsämtern abgestimmt.

Arbeitgeber werden gebeten, pragmatische Lösungen zu finden und, soweit möglich, Heimarbeit insbesondere auch für Berufspendler zu ermöglichen. Das Wirtschafts- und Gesundheitsministerium wird unverzüglich entsprechende Regelungen erlassen.

Verwaltung und Justiz

Die Arbeitsfähigkeit der Verwaltungen des Landes, der Justiz sowie der kommunalen Ebene ist grundsätzlich sicherzustellen. Dazu sind in den jeweiligen obersten Landesbehörden sowie kommunalen Verwaltungen Notfallpläne zu erarbeiten, Schlüsselfunktionen zu identifizieren, Vertretungsregelungen zu überprüfen, ggf. zu erweitern und nicht zwingend notwendige Funktionen in das häusliche Umfeld zu verlagern (Home-Office). Der Publikumsverkehr ist auf das zwingend notwendige Maß zu reduzieren.

Öffentlich Beschäftigte, die aus Risikogebieten nach Mecklenburg-Vorpommern zurückkehren, müssen für einen Zeitraum von 14 Tagen seit Rückkehr von zu Hause aus im home-office arbeiten. Die Landesregierung appelliert an alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso zu verfahren.

Für erwachsene Strafgefangene wird eine landesweit zentrale Aufnahmestation in der JVA Bützow, für jugendliche Strafgefangene in der JVA Neustrelitz eingerichtet.

Hilfen für die Wirtschaft

Das Coronavirus hat erhebliche Folgen auch für die Wirtschaft. Deutschland ist besonders stark in den internationalen Handel und globale Lieferketten integriert und daher von der globalen Ausbreitung des Virus erheblich betroffen. Nachfragenausfälle, unterbrochene Lieferketten und Produktionsstörungen treffen viele Branchen ebenso hart, wie die in Deutschland und auch in Mecklenburg-Vorpommern zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus zu ergreifenden Maßnahmen. Es ist daher zu begrüßen, dass der Bund mit Verbesserung bei der Kurzarbeit und Liquiditätshilfen für betroffene Unternehmen erste Maßnahmen ergriffen hat.

Seitens des Landes wird ein Hilfsprogramm vorbereitet, um möglichst schnell kurzfristige Folgen für Unternehmen abzufedern. Dieses wird mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern sowie den kommunalen Spitzenverbänden am Montag, den 16.03.2020 in einem Spitzengespräch mit der Landesregierung unter Leitung der Ministerpräsidentin beraten.

Weitere Verfahrensregelungen für die Landesregierung

9.1 Zur Sicherstellung der Beschlussfähigkeit der Landesregierung wird in Abweichung von §§ 8 Abs. 3, 10 Abs. 2 und 12 der Geschäftsordnung der Landesregierung vorübergehend folgendes Verfahren zugelassen:

(1) Kabinettsvorlagen können auch auf einfachem elektronischem Wege (bspw. E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur) übermittelt werden.

(2) Die Zustimmung zu Beschlüssen kann auch auf einfachem elektronischem Weg oder fernmündlich (bspw. im Rahmen einer Telefonschaltkonferenz) eingeholt werden. Hierbei haben die Mitglieder der Landesregierung zur Identifizierung die Nummer ihres Landtagsausweises anzugeben.

(3) Die auf diesem Wege gefassten Beschlüsse sind zu protokollieren und den Kabinettsmitgliedern unmittelbar bekannt zu geben. Jedes Kabinettsmitglied kann gegen den Beschluss innerhalb von einer Stunde ab sichergestellter Bekanntgabe Widerspruch einlegen. Bekanntgabe und Widerspruch können ebenfalls auf einfachem elektronischem Wege erfolgen, Widerspruch zusätzlich fernmündlich.

Sowohl die Ministerpräsidentin als auch der stellvertretende Ministerpräsident sind berechtigt, jederzeit eine Beendigung des dargestellten Verfahrens zu verlangen.

9.2 Ab dem 16.03.2020 wird eine Lenkungsgruppe unter Leitung des Chefs der Staatskanzlei in Form einer täglichen Telefonschaltkonferenz mit den Staatssekretären, Landräten und Oberbürgermeistern der kreisfreien Städte einberufen mit dem Ziel, ein einheitliches strategisches Vorgehen im Land abzustimmen.

9.3 Der interministerielle Führungsstab (ImFüSt) wird ab dem 16.03.2020 einberufen, um das gesamte Verwaltungshandeln auf operativer Ebene in dieser Krisensituation zu koordinieren. Für eine zielgerichtete Kommunikation wird ebenfalls ab 16.03.2020 eine Pressestelle beim ImFüSt eingerichtet, die täglich zur aktuellen Lage informiert.

Bürgerhotline

Im Laufe der nächsten Woche wird eine zentrale Bürgerhotline zusätzlich zu den bereits bestehenden fachlichen Bürgerhotlines der Ressorts eingerichtet, zunächst in der Zeit von 08.00 – 20.00 Uhr. Dazu werden aus der Staatskanzlei und den Ministerien jeweils bis zu 5 Kolleginnen und Kollegen abgeordnet, die in Zusammenarbeit mit den fachlich zuständigen Stellen die auflaufenden Fragen beantworten.