Dreißig Meter Zaun, unendlich viele Zaunlatten, die auf einen frischen Anstrich warten. Die Strafarbeit, welche der kleine Lausbube Tom von seiner Tante Polly auferlegt bekam, schien für sie eine anständige Strafe zu sein, für ihn aber die Gelegenheit, der Junge mit dem meisten Spielzeug im Ort zu werden. Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Tom Sawyer, der zusammen mit seinem Freund Huckleberry Finn seine fiktive Heimatstadt St. Petersburg am Ufer des Mississippi unsicher macht. Mit seinem Roman schuf der amerikanische Schriftsteller nicht nur ein Buch an dessen Handlung nicht nur die Kinder ihren Spaß haben, sondern auch eines der ersten Zeichen für die Emanzipation der afroamerikanischen Einwohner, die zu dieser Zeit nur als Sklaven auf den Baumwollfeldern der Südstaaten schuften mussten, er aber als Menschen mit Gefühlen darstellte. Auch die wichtigsten Protagonisten des Buches, die beiden Herumtreiber Tom Sawyer und Huckleberry Finn, waren alles andere als das, was die sittenstrengen Moralapostel den Kindern zumuten wollten.
Auch wegen der im Buch vorkommenden expliziten Ausdrücke sollte es erst einmal auf den Index kommen. Waren es nach dem Erscheinen des Buches erst die Charaktere, an denen sich die Gesellschaft störte, sollte es in späteren Jahren die Verwendung des Wortes Nigger sein. Seinerzeit eine gängige Bezeichnung für die damals als Sklaven gehaltenen Afroamerikaner, ist dieses Wort das Kainsmal auf dem weißen Hemd der Moral, das sich die Amerikaner gerne anziehen möchten. Es ist daher kein Wunder, dass sie diesen Teil der Geschichte gerne ausblenden wollen, indem sie den Text in ihren Augen politisch korrekt veränderten und die eigentlich skandalöse Geschichte offensiv verharmlosten. Auch die deutschen Übersetzungen sind dementsprechend etwas entschärft, so kommt die Gesellschaftskritik, die Mark Twain mit seinem Buch Tom Sawyers Abenteuer und auch mit dem Buch Huckleberry Finns Abenteuer, deutlich zahnloser daher. In der Inszenierung, die Matthias Thieme in den drei Häusern des Theater Vorpommern zeigen wird, dürfte das Wort Nigger daher auch nicht mehr vorkommen.
Bleiben also die Geschichten, welche Tom Sawyer und Huckleberry Finn gemeinsam erleben. An die Episode mit dem Zaun dürften sich auch die meisten Erwachsenen noch erinnern, denn mit seiner geschickten Taktik, einfach so zu tun, als ob ihm die Arbeit sehr viel Spaß machen würde, schafft Tom es, sich von den Kindern aus der Nachbarschaft dafür bezahlen zu lassen, die Arbeit für ihn zu machen. Die Arbeit von Regisseur Matthias Thieme dürfte zumindest denjenigen Leuten ein Begriff sein, die das Theaterstück Die 39 Stufen gesehen haben sollten, denn auch dieses Stück gehört zu den Übernahmen aus dem Theater Stendal. In der Inszenierung des im Theater Plauen-Zwickau engagierten Regisseurs, werden Dennis Junge, Frederike Duggen und Sören Ergang in der von Christof von Büren geschaffenen Bühnenwelt die Puppen dirigieren. Die Premiere von Tom Sawyers Abenteuer wird am 9. Dezember 2012 im Greifswalder Rubenowsaal sein, die erste Vorstellung in Stralsund ist am 12. Januar, also erst im nächsten Jahr. Wer übrigens die Tage das Theater Plauen-Zwickau besuchen sollte, wird dort mit Matthias Nagatis einen guten Bekannten sehen können, denn dort führt er die Regie bei Maria Goos Schauspiel Der letzte Vorhang.
Premieren
9. Dezember 2012
10:00 Uhr Rubenowsaal Greifswald
12. Januar 2013
Gustav-Adolf-Saal Stralsund