Wer etwas in der Materie der Theaterfinanzierung steckt, weiß um die Tatsache, dass die Zahlungen aus Schwerin auch von Anzahl der Besucher abhängig sind. Dass man als Theaterintendant diese Zahlen versucht so positiv wie möglich darzustellen, um so viel wie möglich vom Kuchen abzubekommen, ist soweit verständlich, dass man von den Vertreterinnen der abschreibenden Zunft aber medial zerfleischt wird, wenn man die ehrlichen Zahlen kommuniziert, dürfte wohl den schlechten Verkaufszahlen der Zeitungsverlage geschuldet sein, die nun mit schlecht recherchierten Artikeln mit reißerischen Überschriften ihre qualitativ minderwertigen Erzeugnisse an die Verbraucher bringen wollen. Zum Großteil bestehen die heutigen Tageszeitungen aus Agenturmeldungen und Pressemitteilungen, über den Rest braucht man nicht reden, es gibt genug Kritiker die sich schon mit dieser Materie auseinandergesetzt haben. Einer dieser regionalen Tageszeitungen ist Ostsee-Zeitung, die am 12. September anscheinend nicht ausreichend Material zur Verfügung hatte, widmete sie den Ergebnissen der letzten Spielzeit des Theater Vorpommern gleich zwei große Artikel, die unterschiedlicher nicht hätten ausfallen können.
Während Marlis Walther nach Meinung der Theaterleitung einen sachlichen und gut informierten Artikel verfasst hat, eine Meinung, die man problemlos teilen kann, benötigt die Ostsee-Zeitung für das genaue Gegenteil auf der Titelseite gleich zwei Journalistinnen, die mit Theater Vorpommern verliert 38600 Zuschauer eine Schlagzeile produzierten, die in der Form eigentlich keine solch geartete Schlagzeile wert wäre. Dass man nach Churchill keiner Statistik trauen soll, der man nicht selbst gefälscht hat, ist lange bekannt, dass man keinem Artikel trauen kann, in dem Journalistinnen der Ostsee-Zeitung über Statistiken schreiben, seit diesem Tag wohl mehr als offensichtlich. Eine Schlagzeile über einen Verlust von 38600 Zuschauern sorgt natürlich für eine bessere Auflage, ehrliche Pressearbeit anscheinend nicht. Schaut man sich die Zahlen einmal genauer an, die das Theater Vorpommern vorgelegt hat, relativieren sich diese deutlich, schließlich waren von der vorherigen Geschäftsführung Besucher gezählt worden, die eigentlich anders ausgewiesen hätten müssen.
Die beiden Damen der Ostseezeitung machen sich aber nicht die Mühe sich wie ihre Kollegin mit den trockenen Zahlen auseinanderzusetzen, sondern behaupten in ihrem Artikel einige Dinge, die so nicht haltbar sind. Sie machen keinerlei Unterschiede zwischen den einheimischen Besucherinnen und Besuchern der Spielstätten in Stralsund, Greifswald und Putbus zu den ausländischen 13000 Zuschauern, die das Philharmonische Orchester Vorpommern auf zwei Tourneen durch Japan mit ihren Konzerten begeisterte. Dass dann auch noch 8500 Besucher einer Sonderausstellung in Putbus anstandslos für die Masse Theaterbesucher vereinnahmt werden war wohl auch der größtmöglichen Schlagzeile geschuldet. Mit der Bereinigung der Zahlen schrumpft die Anzahl der fehlenden Zuschauer von 38600 auf nur noch 26056. Diese Zahl fällt zwar auch noch recht hoch aus, ein Verlust von 15,3 Prozent dürfte sich aber noch im verständlichen Rahmen bewegen, ist aber auch der schlechten Stimmung zu verdanken, für dessen Verbreitung sich diese Zeitung nach der Nichtverlängerung eines Teils des Schauspielensembles nicht zu schade war.
Das Ergebnis der negativen Stimmungsmache sieht man bei den Zahlen, bei dem das Schauspiel mehr als ein Drittel der Zuschauer verlor, wovon die meisten wohl in Greifswald beheimat sein dürften. Im Gegensatz gewann das Philharmonische Orchester Vorpommern unter der Leitung von Generalmusikdirektor Golo Berg zahlreiche neue Freunde. Mit fast einem Viertel Zuwachs kann das Orchester aber das BallettVorpommern nicht toppen, welches seine Besucherzahlen mehr als verdoppeln konnte. Für das übrige Minus waren laut den veröffentlichten Zahlen das Musiktheater und das Kindertheater verantwortlich. Bestimmte Entwicklungen kann man durchaus nachvollziehen, so haben Ralf Dörnen und sein Ballettensemble in diesem Jahr mehrere Produktionen auf die Bühne gebracht, die das Publikum begeisterte. An den Zahlen kann man einige Schwachstellen ausmachen, die zum Teil hausgemacht, zum Teil aber externe Ursachen haben. Dass die Spielzeit mit der vom Publikum gemischt aufgenommenen Die Ballade vom traurigen Café begann, welches Intendant Dirk Löschner selbst inszenierte, bot seinen Kritikern genug Angriffsfläche um zumindest beim Schauspiel erfolgreich starten zu können.
Offensichtlich gehören die beiden Redakteurinnen der Ostsee-Zeitung auch nicht zum üblichen Publikum des Theaters, denn die angebliche Kritikresistenz der Geschäftsleitung ist schwer nachvollziehbar. Wer zu den Stammgästen des Theaters gehören sollte, findet eigentlich immer ein offenes Ohr, der Rest hat von sich aus kein größeres Interesse sich tiefer mit dem Theater und dem gebotenen Programm auseinanderzusetzen. In jeder Firma gibt es unzufriedene Mitarbeiter, es dürfte davon auch einige am Theater Vorpommern geben. Mit der pressetypischen Formulierung hinter vorgehaltener Hand kann man sich zur Not aber auch einige Exemplare kreieren. Eventuelle Unzufriedenheit dürften wohl eher an der schlechten Finanzierung der Theater und der aktuellen Theaterstrukturreform liegen, zu viele Premieren wohl eher nicht. Wer des Öfteren Gast auf den anschließenden Premierenfeiern ist, kann die von der Ostsee-Zeitung beschriebene angeblich so schlechte Stimmung im Haus nicht nachvollziehen.
Über Qualität lässt sich für bekanntlich streiten, über Tatsachen nicht. Wenn ein Stück auf die Bühne gebracht wird, dann gefällt es dem Publikum oder nicht, aber den künstlerischen Anpruch einer Inszenierung pauschal mit Qualität zu verwechseln, ist der falsche Ansatz, um die Arbeit eines Theaters zu bewerten. Wenn man beispielsweise ein für Jugendliche inszeniertes Stück zu modern findet, dann ist man selbst das Problem, wenn das eigentliche Zielgruppe dieses gut finden sollte. Das von der Theaterleitung selbst so oft in den Mund genommene Wort Qualität dürfte im Übrigen das falsche Vokabular bei dieser Diskussion sein, wenn sie mit diesem eigentlich die künstlerische Linie des Hauses beschreiben möchte. Interessant an der derzeitigen Theaterdiskussion ist auch die Tatsache, dass natürlich alle Leute eine Meinung zum Thema haben, auch diejenigen, die das Theater bisher nur von außen gesehen haben.
Während schon die ersten Kritiker aus ihren Löchern kriechen und Kürzungen beim Theater fordern, sollte man erst einmal tiefer in die Materie einsteigen sich mit den wahren Ursachen beschäftigen. In unserer alternden Gesellschaft ist beispielsweise ein Teil der Bevölkerung gar nicht in der Lage das Theater zu besuchen. Seit 2002 gibt es zwar das BGG das die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft gewährleisten soll, in der Hansestadt Greifswald ist dieses Gesetz noch nicht richtig angekommen. Das Greifswalder Theater ist nicht nur stark sanierungsbedürftig, über die Arbeitsbedingungen kann man sich bei einer öffentlichen Theaterführung informieren, auch eine Barrierefreiheit ist derzeitig nicht wirklich gegeben. Vier theoretisch mögliche Rollstuhlplätze gibt es zwar, für diese müssen sich die Interessenten aber rechtzeitig bemühen, damit diese nicht anderweitig vergeben werden. Auch die erste Etage die für Veranstaltungen genutzt wird, ist nur über Treppen zu erreichen, ein Aufstieg der dem älteren Teil des Publikums sichtbar schwerfällt. Solche Missstände sind aber offensichtlich keine Schlagzeile wert.
Man kann mit der Arbeit der derzeitigen Intendanz mehr oder weniger zufrieden sein, mit der Art und Weise mit der sich die Ostsee-Zeitung diesem Thema genähert hat, ist für die Belegschaft und das Publikum des Theaters nicht hinnehmbar. Es wäre zudem mal interessant zu erfahren, wie viele kostenlose Pressekarten allein die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ostsee-Zeitung vom Theater Vorpommern in der letzten Spielzeit erhalten haben. Wahrscheinlich viele, wahrscheinlicher zu viele. Karten, die übrigens in der kritisierten Besucherstatistik wohl nicht vorkommen. Erstaunlicherweise liest man in den Artikel über die Inszenierungen des Theater Vorpommern nie etwas Negatives, eine Tatsache, die auf kritische Leserschaft der Zeitung doch mehr als befremdlich wirken dürfte, wenn nun dem Theater eine zu schlechte Qualität bescheinigt wird. Man muss nicht einmal Geld ausgeben, um diese Aussage nachvollziehen zu können, im Kassenraum des Theaters befindet sich schließlich eine Mappe mit zahlreichen Zeitungsartikeln aus dem letzen Jahr. Allesamt positiv …