Otto von Bismarck meinte einst, dass niemals so viel gelogen wird, wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd. Jahr für Jahr wird der Eiserne Kanzler in seiner Beurteilung des Politikgeschäftes bestätigt, denn für gewöhnlich fressen viele Politiker während des Wahlkampfes Kreide, um für das Wahlvolk volksnah und glaubwürdig zu erscheinen. Manchmal fressen sie aber versehentlich zu viel davon, und verraten sich mit einer heftigen Hustenattacke. Da das Fressen der Kreide bildlich zu sehen ist, äußert sich der Husten mit einem Verhalten, das in einem krassen Gegensatz zu denjenigen Aussagen steht, welche man im Wahlprogramm finden kann. Die Verwaltung ist für die Bürger da tönt einer der drei Kandidaten auf seinem Internetauftritt, kritisiert im Gegenzug aber die für ihn zu kurzen Wege, welche die Verwaltung den Bürgern bietet, und verhindert mit einer fadenscheinigen Argumentation die notwendigen Fördermittel für die Sanierung des Philipp-Müller-Stadion. Dieses wird seit einigen Jahren vom Greifswalder SV 04 e.V. gepachtet, welcher die marode Anlage in einen Zustand versetzen möchte, der den sechshundert Kindern und Jugendlichen des Vereins annehmbare Trainingsbedingungen bieten zu können.
Hierfür wäre nicht nur die Erneuerung des maroden Vereinsgebäudes notwendig, sondern auch eine Beleuchtungsanlage für den Hauptplatz, um diesen bei Dunkelheit nutzen zu können, barrierefreie Wege und jeweils hundertfünfzig Sitz- und Stehplätze für die Besucher der Spiele. Auf etwa 500000 bis 1000000 Euro wurden die Kosten dieser Modernisierung veranschlagt, Investitionen, die durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung zu 90 Prozent gefördert werden können. Den notwendigen Eigenanteil von 10 Prozent will der Verein selbst tragen, sodass der antragsberechtigten Universitäts- und Hansestadt Greifswald keinerlei finanzielle Belastungen aufgrund des gestellten Fördermittelantrags entstanden wären. So war es leicht verständlich, dass das Philipp-Müller-Stadion eines der drei Projekte war, welche nach dem Wunsch der Stadtverwaltung eine Aufnahme in das Integrierte Stadtentwicklungskonzept finden sollte, die der Bürgerschaft einen entsprechenden Antrag vorlegte. Mit diesem Antrag sollte auch die Erneuerung des Volksstadions und die Sanierung beziehungsweise der Ersatzneubau des Alexander von-Humboldt-Gymnasiums beschleunigt werden. Während die anderen beiden Projekte ohne Beanstandung akzeptiert wurden, sollte sich die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen vehement gegen die Sanierung des Philipp-Müller-Stadions positionieren.
Während die Vorstellung der Idee durch die Verwaltung den Hauptausschuss ohne Einwände passierte, einem Gremium, in dem übrigens auch der grüne OB-Kandidat Mitglied ist. Offensichtlich war nicht ausreichend Öffentlichkeit anwesend, um das Projekt mit einer entsprechenden Wortmeldung publikumswirksam abschmettern zu können, dafür bot sich dann doch eher die Bürgerschaftssitzung an. Die vorgebrachte Argumentation war schon recht abenteuerlich, denn die Sanierung vom Sportplatz im Dubnaring und der Sporthalle III. im Puschkinring wurden als Maßnahmen mit einer höheren Priorität ins Feld gebracht und dabei geflissentlich die Tatsache ignoriert, dass im Gegensatz zu den vom Greifswalder SV 04 e.V. zugesagten Mitteln für das Philipp-Müller-Stadion, die notwendigen Eigenmittel für diese Bauprojekte noch gar nicht im Haushalt eingestellt worden sind. Im Gegensatz dazu muss der Antrag für Philipp-Müller-Stadion bis zum 30. April gestellt worden sein, um überhaupt die Fördermittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung erhalten zu können. Auch die fehlende Information der Ausschüsse dürfte nur vorgeschoben sein, denn offensichtlich ging es bei der Abstimmung nur darum, ein vorgebliches „Wahlgeschenk“ zu vereiteln. „Die Verwaltung ist für die Bürger da.“ … Wie unglaubwürdig muss diese Wahlaussage nun in den Ohren der sechshundert Kinder und Jugendlichen klingen, welche am Montagabend eine andere Erfahrung machen durften?