Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient, meinte einst der französische Philosoph Joseph Marie de Maistre und irgendwie hatte er mit seiner Aussage recht, denn in Demokratien kann man mit Hilfe von Wahlen seine Regierung selbst bestimmen oder zumindest es damit versuchen. Was die Bevölkerung in Schönwalde I / Südstadt verbrochen haben muss, um ihre derzeitige Ortsteilvertretung verdient zu haben, weiß auch der Autor nicht, aber zumindest hat Joseph Marie de Maistre in diesem Punkt mal Unrecht. Ein kleiner aber schwacher Trost. Der Streit um eine Skulptur, die einen zukünftigen Kreisverkehr schmücken soll, beschäftigt derzeitig die Kommunalpolitik, was sie eigentlich nicht müsste, wenn sie sich auch einmal mit den Details der Angelegenheit beschäftigen würde. Dieser Streit ist übrigens älter als viele glauben, denn schon im Februar betitelte die lokale Ausgabe der Ostsee-Zeitung einen Artikel mit Bonus für regionale Künstler in Greifswald? und stellte in diesem zwei der potentiellen Künstler vor, welche nach der Meinung der Ortsteilvertretung eine Skulptur für den Kreisel in der Lomonossowallee gestalten sollten.
Allein zwischen den Zeilen findet man genug Informationen darüber, wie der Wettbewerb ausgehen sollte, denn die vorherige Stimmung in der Bürgerbefragung wurde schon in Richtung des gewünschten Künstlers optimiert, die eine figürliche Darstellung wünschte. Beispielsweise ein Atomium, welches das Kernkraftwerk und damit die Kernkraft an sich am repräsentativsten darstellen würde, wurde so durch die Anwesenheit von ein paar Senioren unmöglich gemacht, denn einen repräsentativen Charakter haben die Sitzungen der Ortsteilvertretung eher selten. Eigentlich nie! Die Frage in dem Streit ist übrigens nicht die nach der schönsten Skulptur des Wettbewerbes, denn Kunst ist bekanntlich Geschmacksache, sondern die nach den rechtlichen Grundlagen. Die Forderung der Ortsteilvertretung nach einem Kunstwerk auf dem neuen Kreisel ist zwar gerechtfertigt, aber dann hört auch die Kompetenz der Ortsteilvertretung in dieser Angelegenheit auf. Da es sich bei der Errichtung des Kreisverkehres um ein mit öffentlichen Geldern gefördertes Bauprojekt handelt, gelten die Regeln für Bauprojekte.
Diese verlangen eine gewisse Anzahl an Künstlern, welche beim Wettbewerb für den Teil von Kunst am Bau teilnehmen müssen, denn auch wirtschaftliche Gesichtspunkte zählen. Somit war eine eingeschränkte Ausschreibung, die nichts anderes als die Zuschusterung eines Auftrages an einen „befreundeten“ Künstler durch Mitglieder der Ortsteilvertretung wäre, rein rechtlich gar nicht zulässig gewesen. Ein weiterer Punkt des Streites sind die formalen Gründe, weshalb zwei der Wettbewerbsbeiträge ausgeschlossen wurden. Wer wissen möchte, warum Reinhard Buch vom Wettbewerb ausgeschlossen wurde, muss bei Youtube Realer Irrsinn: Kunst im Gewerbegebiet Grabow eingeben, wer wissen möchte warum auch die Skulptur von Heinrich Zenichowski nicht berücksichtigt werden, muss einfach nur weiterlesen. der bisherige Vorsitzende der Ortsteilvertretung Peter Multhauf behauptet in einem Artikel der Ostsee-Zeitung, zwar dass die Gründe für Zenichowskis Ausschluss weit hergeholt und nicht stichhaltig seien, eine Begründung für seine Behauptung lieferte er bisher noch nicht.
Die Aussage wäre auch schwer beweisbar, denn nach Aussagen des Kulturamtes hielt es Heinrich Zenichowski nicht nötig, die Fragen zu beantworten. Der Jury standen keinerlei Informationen außer dem Model zur Verfügung. Sie wusste nicht wie groß die Skulptur sein wird, aus welchem Material sie gefertigt werden soll oder wie teuer die Herstellung ist. Nicht mal eine Beschreibung, was die maritime Stele mit der Geschichte der Plattenbausiedlung zu tun haben soll, wurde geliefert. An der Ecke des zukünftigen Kreisverkehres befand sich mal ein Fischladen, für eine Erklärung der Fische eine etwas an den Haaren gezogene Argumentation, und Koggen wiederum gab es hier nie. Als äußerst skurril kann man hingegen die Expertise von Axel Hochschild, seines Zeichens Kunstexperte aus Reihen der konservativen Bürgerschaftsfraktionen bezeichnen, der die Wahl als einfallslos bezeichnete, weil ihn die Statue der Frau stark an die Sportlersäule von Heinrich Zenichowski am Thälmannring erinnere. Drei nackte Männer die einander auf den Schultern stehen, sehen für wie eine angezogene Frau aus, die ein Buch und eine Blume in ihren Händen hält … kein Kommentar nötig.
Dass sich die Ostsee-Zeitung genötigt zeigte, die offensichtlich für Zenichowski trommelte, die Frauenfigur des Siegerbeitrages ständig als nackt zu bezeichnen, dürfte aber nicht an einem vergleichbaren Kunstverständnis liegen, sondern eine Strategie gewesen sein, den Gewinnerbeitrag öffentlich herabzuwürdigen, um damit Stimmung zu machen. Allzu viele Leute haben sich aber von dem Unsinn nicht beeindrucken lassen, nur ein gutes Dutzend Leute waren bei der Sondersitzung der Ortsteilvertretung zu diesem Thema anwesend. Und ein Dutzend Senioren ist nun wirklich kein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung des Ortsteiles. Nächste Woche hat Joseph Marie de Maistre eine Chance, seinen Spruch zu rechtfertigen, denn dann wird die Gestaltung des Kreisels ein Thema in der Bürgerschaft sein. So bleibt es nur zu hoffen, dass die Mehrheit der Bürgerschaftsmitglieder sich die Rechtsauffassung des Rechtsamtes anschließen, und der unsäglichen Diskussion ein Ende bereiten.
Sie könnten aber auch beschließen, dass die Fischstäbchen von Heinrich Zenichowski auf dem Kreisel aufgestellt werden. Greifswald würde dann aber nicht nur ein Problem haben. Laut Ausschreibungsrecht hat Julia Kausch den Wettbewerb gewonnen und damit einen Anspruch, dass die Stadt ihr das Kunstwerk abkauft. Auch für den Fördermittelgeber ist die Juryentscheidung rechtlich bindend, denn ein anderes Kunstwerk braucht er nicht zu bezahlen. Übrigens auch die schon aufgelaufenen Kosten des Wettbewerbes müssten dann aus dem Stadthaushalt ausgegeben werden. Dazu kommen die Kosten für beide Kunstwerke, über den Daumen gepeilt an die 25000 Euro pro Stück. Dass die Ortsteilvertretung mit ihrem Verhalten den Willen Bevölkerung vertritt, dürfte dieser schwer vermittelbar, denn es ist dann doch eher ein persönlicher Krieg einiger Bürgerschaftsmitglieder gegen die Stadtverwaltung, die öffentlichkeitswirksam auf dem Rücken der Bevölkerung und des Haushaltes ausgetragen werden soll. Greifswald hat die Bürgerschaft die es verdient … oder doch nicht? Der Tag der Wahrheit ist der 16. Dezember 2019 …