Stadtbildverschmutzung oder Warum sich an Satzungen halten?

Wahlplakate
Wahlplakate

Es hat schon einen gewissen Hauch von Ironie, wenn gerade diejenige Partei, welche vor ein paar Jahren weniger Wahlplakate in Greifswald forderte, nun zu den Parteien gehört, welche bisher die meisten Plakate aufgehängt haben. Wer nichts macht, kann keine Fehler machen, und wer viele Plakate hängt, hängt auch mal das eine oder andere Plakat an Stellen auf, an denen dieses eigentlich nicht zulässig ist. Im sogenannten Plakatierungsdilemma sind auch die anderen Parteien im Wahlkampf gefangen, dem Glauben, nicht wahrgenommen zu werden, wenn man sich nicht mit Wahlplakaten auf sich aufmerksam macht. Ein Nutzen der Plakate ist aber nicht wirklich messbar, zu viele von ihnen bewirken eher, dass sich die Leute von der Bilderflut belästigt fühlen. Um ein Zuviel an Wahlwerbung zu verhindern, gibt es in den Gemeinden Satzungen, welche die Nutzung des öffentlichen Raums für Wahlwerbung regeln. Im Fall von Greifswald ist es Satzung über die Sondernutzung an öffentlich-rechtlichen Straßen, Wegen und Plätzen in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald, in der eigentlich klar definierte Regeln für das Aufhängen von Wahlplakaten festgeschrieben sind.

§ 4 Erlaubnisfreie Sondernutzungen

(1) Erlaubnisfreie Sondernutzungen sind:

f) Das Aufstellen und Anbringen von Plakatwerbung der politischen Parteien, der sonstigen politischen Vereinigungen, der Wählergruppen und der Einzelbewerber anlässlich der Wahlen zum Europäischen Parlament, zum Deutschen Bundestag, zum Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und zu den Kommunalwahlen in Greifswald und für den Landkreis Vorpommern-Greifswald, unter folgenden Nebenbestimmungen und wenn und soweit sich die Beworbenen an der Wahl beteiligen wollen. Die Plakatwerbung darf innerhalb einer Zeit von 2 Monaten unmittelbar vor der Wahl bis längsten 14 Tage nach dem Wahltag vorgehalten werden. Die Plakatwerbung ist unzulässig im Bereich von Kreuzungen und Einmündungen, vor höhengleichen Bahnübergängen und am Innenrand von Kurven. Die Plakatwerbung darf nach Ort und Art der Anbringung sowie der Form und Farbe der Plakate nicht zu Verwechselungen mit Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen Anlass geben oder deren Wirkung beeinträchtigen. Die Plakatwerbung darf nicht in den Verkehrsraum hineinragen. Notwendige Lichtraumprofile für die verschiedenen Verkehrsarten sind einzuhalten. Die Beschädigung von Straßenbestandteilen (z.B. Bäume, Schilder oder Straßenbeleuchtungsmasten) ist unzulässig. Das Anbringen und das Aufstellen von Plakatwerbung ist im Geltungsbereich der Gestaltungssatzung Innenstadt unzulässig.

Satzung über die Sondernutzung an öffentlich-rechtlichen Straßen, Wegen und Plätzen in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald

Ein paar Paragraphen weiter findet man die eindeutig Aussage, dass es sich bei einem Verstoß gegen die in der Satzung festgelegten Bedingungen und Auflagen für das Anbringen von Wahlplakaten um eine Ordnungswidrigkeit handelt:

§ 9 Ordnungswidrigkeiten

(1) Ordnungswidrig im Sinne des § 61 des Straßen- und Wegegesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 13.01.1993 in der zur Zeit gültigen Fassung und des § 5 der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 13.07.2011 in der zur Zeit gültigen Fassung handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig:
a) eine öffentliche Straße entgegen § 22 Abs. 1 des Straßen- und Wegegesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern ohne die erforderliche Erlaubnis zu Sondernutzungen gebraucht oder den nach dieser Vorschrift erteilten Bedingungen und Auflagen zuwiderhandelt oder …

Satzung über die Sondernutzung an öffentlich-rechtlichen Straßen, Wegen und Plätzen in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald

Da eine Auswertung für das ganze Stadtgebiet etwas sehr aufwendig wäre, reicht es für eine Darstellung der Ordnungswidrigkeiten eigentlich schon, stichprobenartig bestimmte Straßenabschnitte zu betrachten. Die Wahl fiel auf die Anklamer Straße, die zu den meistbefahrenden Straßen Greifswalds gehört und aufgrund der stellenweise ungünstigen baulichen Gestaltung besonders durch falsche Plakatierung negativ beeinflusst wird. Zu diesen Stellen gehört unter anderem der Radweg, der im Bereich des Theaters als Radschutzstreifen auf die Straße geführt und hinter dem Lidl wieder von dieser herunter geleitet wird. Hier wird ganz selbstverständlich plakatiert, ebenso im Bereich von allen Kreuzungen und Einmündungen.

falschgehängte Wahlplakate (Klinikum – Europakreuzung)

Standort Ordnungswidrigkeit durch wen verursacht
Anklamer Straße / Anklamer Straße Einmündung Die Linke, SPD, SPD, CDU, CDU
Futterhaus Einmündung CDU
Radweg Anklamer Straße Führung Radweg Die Linke, FDP, SPD
Lidl Einmündung Tierschutzpartei, SPD, ÖDP
Die Linke, SPD, FDP
Anklamer Straße / Brinkstraße / Breitscheidstraße Kreuzung SPD
SPD, Tierschutzpartei
SPD, Tierschutzpartei
SPD, FDP
Die Linke, SPD, FDP
Anklamer Straße Beeinträchtigung der Wirkung von Verkehrszeichen Die Linke, SPD
Netto (rot) Einmündung Tierschutzpartei, Die Linke, SPD, FDP, EB
Radweg bei Bushaltestelle Führung Radweg, Verkehrsraum ÖDP, Tierschutzpartei,KfV
Bushaltestelle Verkehrsraum KfV
Europakreuzung Kreuzung Grüne, SPD, Tierschutzpartei, KfV
KfV

Das sind übrigens einundvierzig Ordnungswidrigkeiten, wenn man mal nett ist und nicht jedes Plakat einzeln zählt, sondern die zusammenmontierten Plakate wie bei einem Doppelbrötchen zu einem Ganzen zusammenfasst. Dass einige Parteien bei diesem Test besser abgeschnitten haben, ist leider auch der Tatsache geschuldet, dass sie dafür an anderen Stellen falsch gehängt haben.

Statistik (Klinikum – Europakreuzung)

Verursacher Anzahl in Prozent visualisiert
SPD 14 34
 
Die Linke 6 14
 
Tierschutz 6 14
 
FDP 5 12
 
KfV 4 10
 
CDU 3 7
 
ÖDP 2 5
 
Grüne 1 2
 
EB 1 2
 

Der schlechte Witz an der ganzen Angelegenheit ist übrigens der, dass wenn man falsch aufgehängte Plakate abhängt eine Straftat begeht, die Parteien, die diese Plakate falsch aufhängt haben, aber nur eine Ordnungswidrigkeit. Und warum die massiven Ordnungswidrigkeiten nicht von sich aus geahndet werden, weiß nur das Ordnungsamt…