Made in Greifswald – Keusche Liebes-Brunst. Barocke Hochzeitsgedichte 1599 bis 1790

Keusche Liebes-Brunst
Keusche Liebes-Brunst

Was für kleine Kinder so faszinierend wie die Spielzeugabteilung eines Kaufhauses ist, dürften für Literaturwissenschaftler die endlosen Regalmeter einer umfangreichen Universitätsbibliothek sein, in denen oft versteckte Schätze schlummern, die nur darauf warten, endlich entdeckt zu werden. Zu diesen gehört die Vitae Pomeranorum der Greifswalder Universitätsbibliothek, einer über zwölftausend Drucke umfassenden Sammlung, die einen persönlicheren Einblick in das Leben früherer Generationen ermöglicht. Diese wurden einst durch Augustin von Balthasar und Johann Carl Dähnert zusammengetragen, die an der Greifswalder Universität im 18. Jahrhundert als Professoren tätig waren. Was einst als zwei voneinander unabhängige Sammlungen ins Leben gerufen wurde, vereinigte man im Jahre 1885 zur Vitae Pomeranorum, deren Bestände sich aber leider kriegsbedingt etwas verringert haben. Aus diesem Schatz der hiesigen Gelegenheitsdichtungen stammen die etwa zweihundert Hochzeitsgedichte, die man in der Ende November im Karl-Lappe-Verlag erschienen Anthologie Keusche Liebes-Brunst. Barocke Hochzeitsgedichte 1599 bis 1790 für sich entdecken kann.

Zusammengestellt und kommentiert hat diese Prof. Walter Baumgartner, der dabei auf die Hilfe zahlreicher Mitstreiter bauen konnte, die wie er ein großes Interesse an barocker Dichtkunst haben. Zu diesen gehören beispielsweise Herbert Langer, Ingrid Schröder, Immanuel Musaeus, Monika Schneikart, Peter Tenhaef und Werner Buchholz, von denen sich einige sich in den letzten Jahren ihre Energien für die Renaissance der Dichtkunst der Greifswalder Poetin Sibylla Schwarz eingesetzt haben, deren Werke, wie könnte es anders sein, auch in dieser Sammlung einen Platz gefunden haben. Einen Anteil an der umfangreichen Arbeit trugen zudem Angelika Gröger, Bruno Blüggel, Dirk Schleinert, Ivo Asmus und Susanne Friebe, die einen vor gut zwanzig Jahren von Prof. Walter Baumgartner gefassten Plan zum Leben erwecken halfen. Dank der umfassenden Mikroverfilmung des Bestandes im Jahre 2006 konnten die Bestände mit Fleißarbeit durchforstet werden, ohne die historischen Dokumente anfassen zu müssen. Zwei Jahre sollten aber bis zum Erscheinen des Buches vergehen, welches sich auch zur Aufgabe gemacht hat, das Genre der barocken Gelegenheitslyrik zu rehabilitieren, welche in späteren Jahrhunderten in Verruf geriet und als schwülstig verrufen war.

Dabei machte der Anteil dieser Werke im 17. Jahrhundert den Großteil der lyrischen Dichtung aus, ein Verdrängen der Gelegenheitsdichtung war insoweit auch ein Verdrängen der Geschichte, die von zahlreichen Kriegen geprägt war. Das Vorurteil, dass es sich hierbei nur um schlichte Massenware handelt, möchte Prof. Walter Baumgartner durch die Herausgabe dieser Anthologie widerlegen, denn durch diese repräsentative Auswahl an hiesiger Dichtkunst, soll das große Repertoire an Motiven der hiesigen Dichterzunft beleuchtet werden. Es sind etwa fünfzig Hochzeiten, von deren Festivitäten die ausgewählten Gedichte stammen, fünfzig Brautpaare und ihre Hochzeitsgesellschaften hatten ihren Spaß damit, den Späßen zu lauschen, mit denen die jeweiligen Verfasser die beiden Protagonisten mal liebevoll, mal humorvoll aufs Korn nahm. Dank der Sammelleidenschaft der beiden Professoren sind diese literarischen Ergüsse als Zeugnisse der damaligen Lebensfreude erhalten geblieben, deren beliebtes Motiv die Hochzeitsnacht war. Frivol oder geschmacklos, spätere Generationen waren offensichtlich nicht mehr ganz so offen mit den Worten, denn die Romantiker konnten jeweils wenig mit diesen Werken anfangen.

Dabei war die Zeit des Barock die Periode, in der man in den deutschen Ländern damit anfing, in der deutschen Sprache zu dichten und so dem Latein weniger Aufmerksamkeit zu erweisen. Anhand des Buches, dessen Inhalt chronologisch aufgebaut ist, kann man daher auch die Entwicklung der deutschsprachigen Dichtung ablesen. So beginnt die literarische Reise durch pommersche Gelegenheitsdichtung im Jahre 1599 und endet schließlich mit dem Beginn der Romantik. Lässt man Sibylla Schwarz, Friedrich Fabricius, Gunno Eurelius Dahlstierna oder Theobul Kosegarten mal außen vor, die als professionelle Vertreter ihrer Zunft in dieser Sammlung Erwähnung finden, sind es hauptsächlich Pfarrer und Lehrer sowie Professoren und Studenten, die mit ihren Dichtungen Hochzeiten bereicherten. Da sich das Buch an geschichtlich interessierte Leute richtet, erläutern die begleitenden Kommentare nicht nur die vorliegende Dichtkunst, sondern auch die regionale Geschichte, die diesen Werken zugrunde liegt. Mit einer szenischen Lesung mit Mitgliedern des Stuthe und Musik aus dieser Zeit, welche die Greifswalder Formation Amalthea zum Besten gibt, soll am 7. Dezember 2016 das Buch in der Aula der Universität vorgestellt werden. Hierbei kann man sich ein Bild von dem Buch und dessen Inhalt machen, einer Dichtkunst, die wohl fast in Vergessenheit geraten wäre, hätten da nicht ein paar Leute viel Arbeit und Herzblut in dieses Projekt gesteckt.