Eine öffentliche Theaterprobe hat etwas vom Kuchenbacken. Es ist der Zeitpunkt an den man den Zeigefinger in den Teig steckt und dann anschließend genüsslich ableckt, um so schon mal erahnen zu können, wie lecker der fertige Kuchen später schmecken wird. Beim Kuchenteig, den Regisseurin Susanne Knapp den neugierigen Besuchern der Theaterprobe zum Kosten anbot, hatte inhaltlich schon alles zu bieten, außer dem Zucker, der offensichtlich noch fehlte. Am Bühnenbild, welches ein aufgeschlagenes Buch darstellen sollte , was in diesem Zustand noch schwer erahnbar war, machten sich noch die Handwerker zu schaffen, bevor dann die mit Pudelmützen behaubten Mitglieder des Ensembles die Bühne betrat, um in der für sie noch ungewohnten Umgebung der Theaterkulissen einige Szenen aus dem zweiten Akt zu probieren. Als Ersatz für Anna Wagner musste die Regieassistentin Stephanie Langenberg als Ersatz herhalten und wurde stattdessen über die Bühne gescheucht, währenddessen Golo Berg höchstpersönlich ihren Gesangspart übernahm. Das Geschehen auf der Bühne wirkte schon etwas skurril, war aber auf seine Art und Weise recht amüsant. Anderthalb Wochen hatte Susanne Knapp anschließend Zeit, den benötigten Zucker in ihren Teig zu rühren, von dem dank der überschaubaren Nascherei an dem Abend noch sehr viel übrig war.
Dass schlechtbezahlte Musiker regelrecht zu einer Plage werden können, lässt Susanne Knapp das Publikum schon vor der Ouvertüre spüren, indem sie den eine Musikantentruppe verkörpernden Herren des Opernchores mit Instrumenten bewaffnet durch die Zuschauerreihen schickt, um diesen einen Eindruck zu vermitteln, welchen Terror der Graf Almaviva (Oscar de la Torre) ausgesetzt wird, der von den sich übervorteilt fühlenden Musikern verfolgt und von ihrer Musik regelrecht akustisch malträtiert wird. Wer nicht zahlen will, den muss man dazu zwingen, und wenn es auch den Grafen bei seinen Bestrebungen stört, das Herz der Rosina (Anna Wagner) für sich zu gewinnen. Geld ist ein Mittel um die Gehirnzellen von Figaro (Thomas Rettensteiner) zum Arbeiten zu bringen, welche die eine oder andere Idee hervorbringen, wie sich Graf Almaviva in das Haus von Doktor Bartolo (Alexandru Constantinescu) gelangen kann, der als in die Jahre gekommener Vormund der vermögenden Rosina, an ihr Geld gelangen will, indem er diese ehelicht und daher potentielle Konkurrenten, so auch den Graf Almaviva, unbedingt von ihr fernhalten muss. Bei der Ausarbeitung der Charaktere hat die für diese Inszenierung als Ausstatterin tätige Jakob Knapp alle Register gezogen und aus Alexandru Constantinescu optisch einen Widerling gemacht, dem man die ungewohnte Rollenzuweisung ohne weiteres abnimmt.
War Alexandru Constantinescu in Die Hochzeit des Figaro noch der charmante Schürzenjäger brillierte nun der aus Mexiko stammende Oscar de la Torre in der Rolle des Grafen Almaviva mit einer Spielfreude und Witz, welcher ganz besonders in der Arie Pace e gioia sia con voi zum Tragen kommt, als er in seiner Verkleidung als Musiklehrer mit seinem etwas beschränkt wirkenden Verhalten, den misstrauischen Doktor Bartolo von seiner Harmlosigkeit überzeugen möchte. Beim direkten Vergleich der beiden Operninszenierungen fällt auf, wie unterschiedlich man die Charaktere gestalten kann, besonders wenn man die Figur des Basilio (Tye Maurice Thomas) betrachtet, der in Il Barbiere di Siviglia irgendetwas von einem langhaarigen Sektenguru hatte, während diese Figur in Die Hochzeit des Figaro doch recht tuntig ausfiel. Das Konzept, mit denen Jakob Knapp ihre Kostüme gestaltete, kann man ohne Frage als äußerst farbenfroh bezeichnen, denn die Kolorierung der Figuren des in dem Buch spielenden Figuren, wies eine recht auffällige Farbgebung auf, die sich insbesondere bei den Perücken wiederspiegelte, für die in den Proben noch die besagten Pudelmützen herhalten mussten.
Ist schon das eigentliche Stück voller Witz und Humor, reicherte es Susanne Knapp bei ihrer Inszenierung mit einigen Zitaten an und outet sich auch indirekt als Fan der Olsenbande, deren Auftritt im Königlichen Theater wahrscheinlich die geistreichste Szene der Filmreihe ist. Ähnlich wie die drei glücklosen Gauner in Die Olsenbande sieht rot, verschaffen sich Graf Almaviva mit Hilfe von seinen beiden Helfern Figaro und Fiorillo (Ahmet Melih Colakoglu) im Takte der Musik den Zutritt zum Haus von Doktor Bartolo, wo er mit Hilfe des von ihm bestochenen Notars Rosina zu seiner Frau nimmt. Praktisch, aber noch nicht ganz perfekt gelöst, war die Projektion der deutschen Untertitel auf die Seiten des Buches, so dass man den Blick nicht von der Bühne wenden musste, um zu wissen, um was es gerade in der Handlung geht. Insgesamt kann man in der Oper Il Barbiere di Siviglia die Anwärterin auf den Publikumsliebling der aktuellen Spielzeit für das Musiktheater sehen, der eigentlich nur noch die Operette Der Bettelstudent gefährlich werden könnte, die aber nicht mit einer Arie wie Largo al Factotum auftrumpfen kann, wie sie Gioachino Rossini seinem Figaro in den Mund gelegt hat.
Ensemble
Golo Berg – musikalische Leitung
Susanne Knapp – Regie
Jakob Knapp – Bühne und Kostüme
Katja Pfeifer – Dramaturgie
Oscar de la Torre – Graf Almaviva
Alexandru Constantinescu – Doktor Bartolo
Anna Wagner – Rosina
Thomas Rettensteiner – Figaro
Tye Maurice Thomas – Basilio
Ahmet Melih Colakoglu, Bernd Roth – Fiorillo
Anette Gerhardt – Marzellina
Yuji Natsume – Offizier
Sänger des Opernchores des Theater Vorpommern
Philharmonisches Orchester Vorpommern
Rustam Samedov – Chorleitung
Stephanie Langenberg – Abendspielleitung
Susan Kaltenbacher – Inspizienz
Roland Wegner – Soufflage
Termine
07. März 2015 19:30 Uhr Theater Greifswald
14. März 2015 19:30 Uhr Theater Greifswald
21. März 2015 19:30 Uhr Theater Stralsund
27. März 2015 19:30 Uhr Theater Putbus
29. März 2015 16:00 Uhr Theater Stralsund
11. April 2015 19:30 Uhr Theater Stralsund
19. April 2015 16:00 Uhr Theater Greifswald
03. Mai 2015 18:00 Uhr Theater Stralsund
13. Mai 2015 19:30 Uhr Theater Greifswald
28. Mai 2015 19:30 Uhr Kaiserbädersaal Heringsdorf