Es war einer der schönen Zufälle im Leben, welcher die Karriere einer jungen unbekannten Formation innerhalb von kürzester Zeit regelrecht beflügeln sollte. Der amerikanische Filmemacher Steven Spielberg weilte im Jahre 1993 in Krakau, wo er im Stadtteil Kazimierz die passende Kulisse für seinen Film Schindlers Liste fand. Hier stieß er aber nicht nur auf den Charme des ehemaligen jüdischen Viertels, sondern in einem Club auf drei junge Musiker, deren Musik das Lebensgefühl der früheren Bewohner vermittelte. Bis dahin spielten Jerzy Bawol, Tomasz Kukurba und Tomasz Lato, welche zuvor die Krakauer Musikakademie besuchten und sich im Jahre 1992 mit ihrer Formation Kroke den Sprung ins kalte Wasser wagten, nur in den kleinen Klubs Kazimierzs, nach einer Einladung ihres berühmten Zuhörers nach Jerusalem, wo sie mit ihrem Auftritt begeisterten, standen ihnen alle Türen offen. Zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum ihrer Band erschien ihr dreizehntes Alben, das den Titel Traveler trägt. Auch der Greifswalder polenmARkT begeht in diesem Jahr ein Jubiläum. Vor zwanzig Jahren begann er noch recht überschaubar mit einem polnischen Kulturabend, aus welchem sich das heutige Festival entwickeln sollte.
Seinen heutigen Namen erhielt es aber erst im Jahre 1999. Zehn Jahre danach waren es die drei Musiker von Kroke, die mit ihrem Auftritt für ein ausverkauftes Theater sorgten, was ihnen aber auch wieder gelingen dürfte, wenn sie mit ihrem Konzert den (musikalischen) Höhepunkt des diesjährigen Festivals bilden. Bis dahin hat der polenmARkT aber schon einiges an interessanten Veranstaltungen zu bieten, angefangen von der feierlichen Eröffnung im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg, bei der das Publikum in diesem Jahr mit dem Werk des polnischen Schriftstellers Stefan Chwin in Berührung kommt, der durch seinen Roman Tod in Danzig auch in Deutschland Bekanntheit erlangte. Bei seiner Lesung stehen aber seine im Jahre 2015 in deutscher Sprache veröffentlichen Erzählungen mit dem Titel Ein deutsches Tagebuch im Fokus. Neben dieser Lesung ist es auch die Verleihung des Förderpreises für deutsch-polnische Zusammenarbeit an der Universität Greifswald, welche Jahr für Jahr für ein volles Haus sorgt. Wer sich über die nun schon zum achtzehnten Mal verliehene Auszeichnung freuen kann, steht derzeitig noch nicht fest, denn noch bis zum 30. Oktober können entsprechende Vorschläge eingereicht werden.
Die im Jahre 1898 entstandene Oper Pád Arkuna (Der Fall von Arkona) des tschechischen Komponisten Zdenek Fibich dürfte den wenigsten Opernfreunden geläufig sein, zumindest bis zur Auftaktveranstaltung des diesjährigen Festivals, die sich dem slawischen Gott Svantevits literarisch und musikalisch nähert. Heutzutage erinnern nur noch die wenigen Überreste der einstige Vorburg an die bedeutende Tempelanlage am Kap Arkona, in dessen heiligen Hallen ein Kult um den viergesichtigen Gott Svantevit betrieben wurde, der sich auch in späteren Jahrhunderten noch in der Kultur der westslawischen Länder wiederfinden lässt. Neben der besagten Oper sollten es literarische Werke sein, wie beispielsweise das von Jadwiga Luszczewska verfasste Gedicht Swiatowit, welches im literarischen Teil des Abends Beachtung finden wird. Auch wenn Svantevit für die slawischen Romantiker so etwas war, wie die Ruinen für Caspar David Friedrich, sollte man die historischen Fakten nicht aus den Augen lassen. Für diese wird Dr. Fred Ruchhöft vom Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege verantwortlich sein, der in den letzten Jahren die Ausgrabbungen vor Ort leitete und dabei einige interessante Dinge entdeckte.
Vor gut zehn Jahren, genauer gesagt am 21. Dezember 2007 veränderte sich das Zusammenleben im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Polen ganz massiv, denn an diesem Tag galten die Regelungen des Schengener Abkommen auch für Polen und Tschechien. Wer beispielsweise heutzutage in den Osten der Insel Usedom reist wird nicht mehr von argwöhnigen Zollbeamten kontrolliert, sondern kann bei einer Wanderung am Strand der Ostsee die Grenze passieren, ohne dass es einem wirklich bewusst wird. Mit einem Vortrag von Gunter Dehnert über die Geschichte der sogenannten Friedensgrenze bis zum Schengener Abkommens soll ein Blick zurück, mit einer Diskussion mit einigen Vertretern aus Deutschland und Polen dann ein Blick in die Zukunft der gemeinsamen Grenzregion geworfen werden. Einen völlig anderen Blick auf die Geschichte, nämlich den auf den Mythos der wiedergewonnenen Gebiete, mit der den umgesiedelten neuen Bewohner in den einstigen deutschen Ostgebiete ein historischer Rechtsanspruch vermittelt wurde, beleuchtet Dr. Pawel Migdalski in seinem Vortrag über den Hetman Stefan Czarniecki, welcher dereinst gegen die Schweden siegreich war, so zum Nationalhelden avancierte und auch eine Erwähnung in der polnischen Nationalhymne fand.
Da man ein Land am angenehmsten über die jeweilige Küche kennenlernt, hat sich der Polnische Abend im Quartiersbüro von Schönwalde II recht schnell zu einer beliebten Veranstaltung des Festivals gemausert. Beim diesjährigen Kochabend sollen Plaki, eine polnische Variante der Kartoffelpuffer, erst gemeinsam gekocht und verzerrt werden, bevor mit einer Lesung aus Sonja Daemens Buch Im Grenzland der kulturelle Teil des Abends beginnt. Das Gespräch mit einem interessanten Menschen war einer der bekanntesten Programmpunkte mit denen Der Club der polnischen Versager im Jahre 2008 das IKuWo sprichwörtlich aus den Nähten platzen ließ. In diesem Jahr soll es der Heineschuppen sein, den Adam Gusowski und Piotr Mordel mit ihrem satirischen Abend füllen wollen. Auch Greifswald Partnerstadt wird mit mehreren Programmpunkten vertreten sein, unter anderen mit der Inszenierung Projekt: Matka des Teatr Kana und Konzerten der Punkband The Analogs und der Folkband Dikanda. Obwohl letzte am offiziellen Abschlussabend zu hören sein wird, sind es Barbara und Henryk Tritt, welche mit Vertonungen von Gedichten Alfred Momberts das Programm des diesjährigen polenmArkTs abschließen werden.
Programm
Sonntag | 12. November 2017 | ||
18:00 Uhr | Aula der Universität | Aus der Ferne sah ich den im Nebel der Jahrhunderte flackernden Schatten Svantevits – musikalisch-literarischer Abend zu Arkona und Svantevit | 3.50 Euro |
Mittwoch | 15. November 2017 | ||
17:00 Uhr | Kleine Rathausgalerie | polenmARkT in Plakaten – Vernissage | Eintritt frei |
20:00 Uhr | Slawistikkeller Tschajka | Filmnacht mit Szczecin European Film Festival (SEFF) | Eintritt frei |
Donnerstag | 16. November 2017 | ||
18:00 Uhr | Alfried Krupp Wissenschaftskolleg | Feierliche Eröffnung und Lesung mit Stefan Chwin und Jan Holten | Eintritt frei |
Freitag | 17. November 2017 | ||
15:00 Uhr | Zooschule Tierpark Greifswald | Pampilio – zweisprachige Lesung zum Bundesweiten Vorlesetag mit Stefan Fassbinder und Agata Wisniewska-Schmidt | Eintritt frei |
22:00 Uhr | Klex | The Analogs (Street Punk / Stettin) Support Sisyphos (Greifswald) | 6.00 Euro |
19:00 Uhr | Theater Vorpommern | Projekt: Matka (Projekt: Mutter) – Teatr Kana (Stettin) | 12.00 / 8.00 Euro |
Samstag | 18. November 2017 | ||
17:00 Uhr | Pommersches Landesmuseum | Die Spur / Pokot (Pl/ D/ S 2017) – nordoststreifen | 3.50 Euro |
21:00 Uhr | IKuWo | T´ien Lai (Psycho-Tribal-Elektronik / Bydgoszcz) | 9.00 / 7.00 Euro |
Sonntag | 19. November 2017 | ||
19:00 Uhr | Theater Vorpommern | Kroke (Klezmer) | 16.00 / 12.00 Euro |
Montag | 20. November 2017 | ||
09:15 Uhr | Hans-Fallada-Bibliothek | Lesung für Kinder mit Marcin Palasz und Jan Holten | |
11:00 Uhr | Quartiersbüro Schönwalde II | Lesung für Kinder mit Marcin Palasz und Jan Holten | |
18:00 Uhr | Konzilsaal | Dr. Pawel Migdalski – Der Mythos der wiedergewonnenen Gebiete am Beispiel von Legenden über Pommernzüge des Hetmans Stefan Czarniecki | Eintritt frei |
Dienstag | 21. November 2017 | ||
18:00 Uhr | Brasserie Hermann | Prof. Dr. Andrea Rudolph – Idealrealismus als neue Kulturblüte in Schlesien? | Eintritt frei |
20:15 Uhr | Brasserie Hermann | Kurzfilmnacht mit Kunstakademie Krakau, Abteilung für Animationsfilm | Eintritt frei |
Mittwoch | 22. November 2017 | ||
16:00 Uhr | Pommersches Landesmuseum | Gunter Dehnert – Von der „Friedensgrenze“ zum Schengener Abkommen. Die deutsch-polnische Grenze in Pommern nach 1945 | 3.50 / 2.50 Euro |
18:00 Uhr | Pommersches Landesmuseum | Debatte zur zehnjährigen Mitgliedschaft Polens im Schengen-Raum | 3.50 Euro |
20:00 Uhr | St. Spiritus | Magda Piskorczyk – (Blues) | 9.00 / 7.00 Euro |
Donnerstag | 23. November 2017 | ||
18:00 Uhr | Quartiersbüro Schönwalde II | Polnischer Abend – Polnisch kochen, schmecken, entdecken & eine Lesung mit Sonja Daemen | Eintritt frei – Anmeldung |
Freitag | 24. November 2017 | ||
15:00 – 17:00 Uhr | COWORK Greifswald | Polnisch-Crashkurs | Anmeldung |
20:00 Uhr | Heineschuppen | Der Club der polnischen Versager | Eintritt frei |
20:00 Uhr | Dorfhaus Wietstock | Hubert Szczesny (Folk-Pop) | Eintritt frei |
22:30 Uhr | Koeppenhaus | Late Night Jazz mit Pawel Szamburski & Jan Emil Mlynarski (Warschau) Support: Huey Walker (Greifswald) | 9.00 / 7.00 Euro |
Samstag | 25. November 2017 | ||
10:30 Uhr | Hans-Fallada-Bibliothek | Adelheid Ulbricht – Märchen aus Polen | Eintritt frei |
20:00 Uhr | St. Spiritus | Dikanda (Weltmusik) + Party | 14.00 / 10.00 Euro |
20:00 Uhr | Kulturspeicher Ueckermünde | Hubert Szczesny (Folk-Pop) | Eintritt frei |
22:00 Uhr | St. Spiritus | Abschluss-Partynacht mit DJ Dominik (MA, Kapitan Stereo) & Selekta Pehle (Zonic/Leipzig) und Yuriy Gurzhy (Russendisko) | 8.00 / 6.00 Euro |
Sonntag | 26. November 2017 | ||
18:00 Uhr | Aula der Universität | Barbara und Henryk Tritt (Klassik) | 9.00 / 7.00 Euro |