Man muss schon eine gewisse Leidensfähigkeit besitzen, um freiwillig die Sitzungen von Gemeindevertretungen zu verfolgen. Wenn nicht gerade ein Thema behandelt wird, welches die Menschen des Ortes bewegt, die mit ihrer Anwesenheit der Angelegenheit etwas mehr Gewicht verleihen wollen, sind die Besucherplätze zumeist recht spärlich besetzt. Es sind aber nicht unbedingt die Themen, welche die Sitzungen mehr oder weniger langweilig ausfallen lassen, da man wichtige Details schon vorab in den Ausschüssen klären kann. Für die Langeweile sind diejenigen Bürgerschaftsmitglieder verantwortlich, die sich selbst gerne reden hören und dadurch die Diskussionen der Beschlussvorlagen unnötig in die Länge ziehen.
Ein Resultat dieses Verhaltens ist unter Umständen ein langer Sitzungsabend, manchmal aber auch einen Abbruch der Sitzung, so dass einige Punkte der Tagesordnung unter den Tisch fallen. Aber selbst bei denjenigen Bürgerschaftssitzungen, die in der angestrebten Zeit durchgeführt werden, werden der Öffentlichkeit nicht all die Informationen bekanntgegeben, die laut der Tagesordnung eigentlich veröffentlicht werden sollten. Die Reihenfolge der Tagesordnung ist in der Geschäftsordnung der Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald geregelt, die in einigen Details stark von den Geschäftsordnungen anderer Bürgerschaften beziehungsweise Stadtvertretungen in Mecklenburg-Vorpommern abweicht.
§ 7 Sitzungsablauf
Die Tagesordnung der Sitzungen der Bürgerschaft soll grundsätzlich in folgender Reihenfolge
verhandelt werden:
1) Eröffnung der Sitzung, Feststellen der Ordnungsmäßigkeit der Einladungen,
der Anwesenheit und der Beschlussfähigkeit
2) Feststellung von Änderungsbedarf zur Tagesordnung
3) Bestätigung der Niederschrift der vorangegangenen Sitzung der Bürgerschaft
4) Fragen, Vorschläge und Anregungen der Einwohner
5) Beantwortung schriftlich innerhalb der Frist nach § 4 Abs. 2 S. 1 der Hauptsatzung
gestellter Fragen der Fraktionen
6) Aktuelle Stunde oder Große Anfragen
7) Beschlusskontrolle (auch für alle Ausschüsse und Ortsteilvertretungen)
8) Beratung der Beschlussvorlagen
9) Mitteilungen des Oberbürgermeisters über Beschlüsse des Hauptausschusses und
wichtige Angelegenheiten der Stadt
10) Vorschläge, Anregungen und Fragen der Mitglieder der Bürgerschaft
11) Mitteilungen des Präsidenten unter anderem über nichtöffentlich gefasste Beschlüsse
nach § 31 (3) der Kommunalverfassung M-V
Geschäftsordnung der Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald
Was in kleineren Gemeinden kein Problem darstellen dürfte, macht sich im Fall der größeren Städte negativ bemerkbar, denn die deutlich größere Menge an Beschlussvorlagen wirkt sich auf die Länge der Sitzungen aus. Im negativsten Fall kommen die Punkte 9 und 10 unter die Räder, im Normalfall ist es eher peinlich. Es ist wie in der Schule, wenn die Klingel ertönt, werden selbst die Faulen aktiv. Im Fall einer Bürgerschaftssitzung sind es die Mitteilungen des Oberbürgermeisters beziehungsweise der Präsidentin, die für einige Bürgerschaftsmitglieder offenbar den Klingelton darstellen. Sie fangen an, ihre Sachen zusammenzupacken, ziehen sich an und bringen mit ihrem Verhalten Unruhe in die Sitzung, deren Ende sich langsam aber sicher abzeichnet.
Zumindest erfährt die zu diesem Zeitpunkt noch anwesende Öffentlichkeit die angekündigten Neuigkeiten. Wenn man sich es einfach macht, werden die Mitteilungen einfach dem Protokoll der Bürgerschaftssitzung angehängt. Das Problem bei dieser Handhabung der Berichtspflicht ist die Tatsache, dass das Protokoll, und damit auch der Inhalt der Mitteilungen, erst bei der nächsten Bürgerschaftssitzung bestätigt und somit erst dann veröffentlicht wird. Es ist auch schon passiert, dass die Bekanntgabe der Mitteilungen in den nichtöffentlichen Teil verschoben wurde.
Bei der letzten Bürgerschaftssitzung war man noch deutlich bürgerfeindlicher als sonst, als man den Antrag der CDU folgte und den öffentlichen Teil der Sitzung kurz vor seinem Ende unterbrach, um im nichtöffentlichen Teil die vorhandenen Mehrheiten ausnutzen zu können. Die interessierte Öffentlichkeit war um 21:41 Uhr recht überschaubar, theoretisch hätte man gerade so noch eine Runde Skat spielen können, und unzufrieden mit der Art und Weise der Behandlung. Nach etwa vierzig Minuten war der Ausflug in die Nichtöffentlichkeit beendet und der Oberbürgermeister konnte seine Mitteilungen tätigen.
Dank des Lifetickers der Fraktion der Linken sind zumindest einige Details bekannt, nur fehlt bisher jegliche Information von Seiten der Stadt. Unter anderem waren es die Ankündigungen, dass der öffentliche Kita-Gipfel am 20. Juli und das Richtfest der Erwin-Fischer-Schule am 5. Juli stattfinden wird. Über letztere Information hätten sich bestimmt auch die Elternvertreter der Erwin-Fischer-Schule gefreut, die am Anfang der Sitzung anwesend waren und ihre Fragen zur geplanten Ausstattung der Schule stellten.
Die Mitteilungen des Oberbürgermeisters und der Präsidentin sind zeitlich überschaubar, die Bestätigung der Niederschrift der vorangegangenen Sitzung der Bürgerschaft dauert für gewöhnlich deutlich länger. Man kann auch nicht mit der dafür benötigten Zeit argumentieren, um eine Verschiebung der Tagesordnungspunkte abzulehnen, wenn man an anderer Stelle kein Problem damit hat, fast vierzig Minuten über die Betitelung der Greifswalder Universität als Ernst-Moritz-Arndt-Universität durch die Stadt und ihre Vertreter zu diskutieren. In anderen Städte hat man kein Problem die Öffentlichkeit mit Informationen zu versorgen.
Wenn man mal die Bürgerschaft der Hansestadt Rostock ausklammert, die zumindest ihrem Präsidenten am Anfang der Sitzung eine Gelegenheit einräumt, positionieren die Geschäftsordnungen der Gemeindevertretungen der Städte Mecklenburg-Vorpommerns die Mitteilungen der Verwaltung vor der Behandlung der Beschlussvorlagen. Zu diesen zählen unter anderem Stralsund, Wismar, Schwerin, Neubrandenburg, Parchim, Güstrow, Bad Doberan oder Pasewalk. Die Auflistung dürfte eigentlich schon ausreichen um diese Aussage zu bekräftigen. Man redet immer von Bürgerbeteiligung und ehrenamtlichen Engagement, aber mit einer kleinen Anpassung der Geschäftsordnung dürfte man einer bürgernahen Politik schon etwas näherkommen.