Bürgerschaft ist Ehrenamt, aber wenigstens bekommt man als Mitglied durch die pauschalen Aufwandsentschädigungen eine Art Schmerzensgeld. Mit den Aufwandsentschädigungen, Bürgerschaftssitzungen, Fraktionssitzungen und Ausschusssitzungen werden mit 40.00 Euro, Sitzungen der Ortsteilvertretungen mit 20.00 Euro vergütet, sollen die durch die Tätigkeit entstandenen Unkosten abgegolten werden. Das sind die Beträge für die einfachen Mitglieder, Ausschussvorsitzenden erhalten durch ihren höheren Arbeitsaufwand auch eine höhere Aufwandsentschädigung. Die Fraktion DIE LINKE hat offensichtlich ein großes Problem mit der derzeitigen Honorierung des Ehrenamtes, denn mit Hilfe des Beschlussvorlage 06/1491 möchte sie eine Änderung bei der Bezahlung erreichen.
Die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald ändert die Hauptsatzung der Universitäts- und Hansestadt Greifswald in § 17 Entschädigung wie folgt um einen Punkt 8:
8. Bürgerschaftsmitglieder, sachkundige Einwohner und OTV-Mitglieder, die in den Ortsteilen Riems bzw. Friedrichshagen wohnen, erhalten für ihre Teilnahme an den Sitzungen der Bürgerschaft und Bürgerschaftsausschüsse zusätzlich zu den bisherigen Aufwandsentschädigungen auch eine erhöhte sitzungszeitergänzende Aufwandsentschädigung in Höhe von 20 Cent je gefahrenem Kilometer.
Sachdarstellung/ Begründung
Die hier vorgeschlagene Änderung ist sehr stark an die Hauptsatzung des Landkreises Vorpommern-Greifswald angelehnt. Dank des guten Greifswalder ÖPNV ist innerhalb des Kerns von Greifswald allen Bürgerschaftsmitgliedern, sachkundigen Einwohnern und OTV-Mitgliedern für Sitzungen im Rathaus und Umfeld die Anfahrt per Fahrrad, zu Fuß oder eben ÖPNV zuzumuten.Dies ist jedoch wegen der Entfernung bzw. des geringes ÖPNV-Taktes für die beiden Ortsteile Riems und Friedrichshagen nicht gegeben. Diese kommunalen Parlamentarier tragen daher einen zusätzlichen Kostenaufwand, der über diese Änderung der Hauptsatzung berücksichtigt werden sollte.
Der Antrag ist, und dass trotz der Kürze, an einigen Stellen inhaltlich falsch. Es fängt schon mal damit an, dass laut der Hauptsatzung der Universitäts- und Hansestadt Greifswald die Mitglieder der Ortsteilvertretungen für die Teilnahme an Bürgerschaftssitzungen gar keine Aufwandsentschädigung bekommen, denn laut § 17 erhalten diese nur für die Teilnahme an Sitzungen der Ortsteilvertretungen ein Sitzungsgeld. Zudem finden diese immer in den Ortsteilen statt, Ausnahmen bestätigen nur die Regel, so dass es eher die Bürgerschaftsmitglieder sind, welche durch ihre Mitarbeit in den Ortsteilen Nachteile haben. Bekanntlich setzen sich die Ortsteilvertretungen durch Bürgerschaftsmitglieder, die aber nicht unbedingt in dem Ortsteil wohnen müssen, und sachkundige Einwohner aus dem Ortsteil, die zwangsläufig dort beheimatet sind.
In der aktuellen Ortsteilvertretung Insel Riems findet man beispielsweise Dr. Sascha Ott, von dem man durch der Diskussion mit dem Kunstkubus weiß, dass er offensichtlich in der Innenstadt wohnt. An dieser Stelle fallen die handwerklichen Mängel des Antrags ins Auge, denn angeblich haben nur die in den Ortsteilen Riems und Friedrichshagen wohnenden Bürgerschaftsmitglieder, sachkundigen Einwohner und Mitglieder der Ortsteilvertretungen finanzielle Nachteile. Sollte die Bürgerschaft dem Antrag in dieser Form folgen, würde beispielsweise Frau Heinrich von den Linken für jede Fahrt in die Innenstadt eine zusätzliche Kilometerpauschale erhalten, während Dr. Ott für seine Fahrt nach Riems leer ausgeht. Und das, obwohl beide dieselbe Strecke hinter sich gebracht haben. Es gibt nur den Unterschied, dass der Start und der Zielort jeweils ein anderer ist. Die Antwort auf die Frage, wieso nur Frau Heinrich einen zusätzlichen Kostenaufwand hat und Dr. Ott nicht, dürfte interessant ausfallen. Schaut man sich die weitere Argumentation etwas genauer an, bleibt nicht viel Substanz von dieser übrig.
Allen anderen Bürgerschaftsmitgliedern wird die Anfahrt mit dem Fahrrad, zu Fuß oder mit dem ÖPNV zugemutet, warum sechs Kilometer nach Eldena oder Ladebow zumutbar sind, eine nur um ein Viertel längere Strecke nach Friedrichshagen nicht, muss sich wohl jeder selbst beantworten. Prinzipiell hat jedes Bürgerschaftsmitglied, welches nicht in der Innenstadt wohnt, einen Kostenvorteil, da es nicht mit ÖPNV oder Auto anreisen muss. Mit dem mangelhaften ÖPNV kann man zwar argumentieren, die Bürgerschaftsmitglieder, die diesen nutzen, muss man mit der Lupe suchen. Betrachtet man die behauptete Zumutbarkeit, müsste man die zugemuteten sechs Kilometer abziehen, so dass nur noch die zusätzlichen zwei Kilometer nach Friedrichshagen beziehungsweise sieben Kilometer nach Riems betrachtet werden sollten. Oder man ist ganz ehrlich und schaut mal was eigentlich in der Hauptsatzung des Landkreises Vorpommern-Greifswald steht.
4) Die Kreistagsmitglieder und sachkundigen Einwohner erhalten für ihre Teilnahme an Sitzungen des Kreistages, der Ausschüsse zusätzlich zu den bisherigen Aufwandsentschädigungen und den Reisekosten eine erhöhte sitzungszeitergänzende Aufwandsentschädigung in Höhe von 20 Cent je gefahrenem Kilometer.
Bekanntlich ist der Kreistag des Landkreises Vorpommern-Greifswald eine Art politischer Wanderzirkus und tagt mal in Greifswald, mal in Anklam und mal in Pasewalk. Die Kreistagsmitglieder können laut der Satzung die entstandenen Reisekosten geltend machen, also Bahntickets und Busfahrscheine einreichen, oder ein entsprechendes Kilometergeld abrechnen. Das Einzige, was mit dem Antrag der Fraktion Die Linken mit der Hauptsatzung des Landkreises Vorpommern-Greifswald übereinstimmt, sind die 20 Cent Kilometergeld, von einer Auswahl der berechtigten Kreistagsmitglieder findet man in dieser keine Spur. Eine solche Klausel sollte daher nicht nur deshalb in der Hauptsatzung der Universitäts- und Hansestadt Greifswald zu finden sein. Entweder bekommen alle Mitglieder der Bürgerschaft, Ausschüsse und Ortsteilvertretungen eine Fahrkostenerstattung oder gar keines. Eine Beschränkung der Zahlung auf die Bewohner der Ortsteile Riems und Friedrichshagen wäre jedenfalls alles andere rechtskonform.
Update
Die Fraktion Die Linke hat ihren Antrag inzwischen etwas abgeändert:
8. Bürgerschaftsmitglieder, sachkundige Einwohner und OTV-Mitglieder erhalten für ihre reguläre Teilnahme an den Sitzungen der Bürgerschaft, Bürgerschaftsausschüsse und Fraktion bei PKW-Nutzung eine pauschalierte Entschädigung in Höhe von 20 Cent je gefahrenem Kilometer.