Milchbubenrechnung – Die Greifswalder FDP und ihr Problem mit Zahlen – Ein Kommentar

Bürgerschaft Greifswald
Bürgerschaft Greifswald

Es ist manchmal schon erschreckend, mit welchem Selbstbewusstsein es manche Kommunalpolitiker schaffen, völlig kompetenzbefreite Anträge in die Bürgerschaftsitzung einbringen und nicht einmal merken, dass sie in diesen völligen Unsinn verbreiten. Während der letzten Bürgerschaftssitzung konnte man wieder ein Meisterstück einer politischen Fehleinschätzung erleben, deren Begründung nicht nur eine äußerst mangelhafte Recherche zugrundelag, sondern auch Schwächen im Erkennen von Zusammenhängen offenlegte. Seit der Veröffentlichung der Besucherzahlen der letzten Spielzeit, die aus verschiedenen Gründen etwas schwächer ausfielen, möchte die Greifswalder FDP-Fraktion dem Theater Vorpommern die städtischen Zuschüsse kürzen, was natürlich auch bei dieser Sitzung nicht unversucht blieb. In diesem Antrag forderte sie die Streichung von 23800.00 Euro städischen Zuschüssen für die Pacht der Stadthalle, 20000.00 Euro für die Vermarktung und einen Verlustausgleich in Höhe von 25000.00 Euro. Diese Forderung fiel zwar etwas kleiner als die Vorherige aus, verkannte aber wie immer die Tatsache, dass das Theater Vorpommern seit vielen Jahren unterfinanziert ist und sich das Greifswalder Theatergebäude in einem baulichen Zustand befindet, denn man zweifelsfrei als äußerst mangelhaft bezeichnen kann.

Als Begründung wurde angeführt dass das Theater der größte Empfänger an Zuschüssen ist und dementsprechend auch Einsparungen vornehmen sollte. Als von der Kürzung betroffene kulturelle Einrichtungen werden unter anderem das Kulturzentrum St. Spiritus, die Musikschule, die Stadtbibliothek und der Literatursalon benannt. So weit so gut, wäre da nicht die Sache mit dem Vergleich, wer wie viel Geld pro Besucher erhält. Bei 70000 Besuchern und etwas über 3 Millionen Euro an jährlichen Zuschüssen wird nach Aussagen der FDP jeder Besucher des Theaters mit 48.00 Euro subventioniert. Subventioniert werden aber nicht die Besucher, sondern die Eintrittskarten. Statt den derzeitigen Preisen und Besucherzahlen müsste man theoretisch um die 70.00 Euro pro Eintrittskarte zahlen, ein Preis den sich wohl viele Leute aus Greifswald nicht leisten könnten. Die Hansestadt Greifswald hat derzeitig rund 55000 Einwohner, rein statistisch ist ein Besuch plus x pro Jahr drin, also etwas über 60.00 Euro pro Person und Jahr an öffentlichen Zuschüssen, die bei sich positiv entwickelnden Besucherzahlen deutlich verringern können.

Demgegenüber stellt die FDP-Fraktion die Greifswalder Stadtbibliothek, welche derzeitig mit 1,7 Millionen Euro pro Jahr bezuschusst wird. Laut den im Antrag vorhandenen Angaben kann sich die Stadtbibliothek über 170000 Besucher freuen, wohlgemerkt über 100000 mehr als das Greifswalder Theater! An dieser Stelle beweist die FDP dass sie etwas von Wirtschaft versteht, aber nur über die Wirtschaft in der sie ihr Bier für ihre Stammtischrunden gezapft bekommt, an denen sie solche Anträge formuliert, denn sie benennt die Bibliothek ernsthaft als ein positives Beispiel, welches mit 10.00 Euro pro Besucher auskommt. Die ausgewiesenen 170000 Besucher sind aber keine wirklichen Besucher, sondern schlicht und einfach reine Kundenkontakte, welche aufgrund der vorhandenen Kapazitäten übrigens nicht gesteigert werden können. Betrachten wir uns nun diese Zahlen und führen uns zu Gemüte, dass die die Stadtbibliothek über eine Stammkundschaft verfügt. Betritt man theoretisch gesehen einmal in der Woche diese Bibliothek, um sich ein oder mehrere Bücher auszuleihen, ein normales Verhalten vieler Kunden, werden rein rechnerisch Kosten in Höhe von über 500.00 Euro pro Person verursacht. Demgegenüber verbraucht eine Person, welche zehnmal im Jahr das Greifswalder Theater besucht, anteilmäßig gesehen nur Zuschüsse in Höhe von 450.00 Euro.

Laut Angaben der Hansestadt Greifswald sind rund 12500 Greifswalderinnen und Greifswalder und somit 23 Prozent der Bevölkerung über Basisvereine dem Sportbund beigetreten. Die Formulierung auf der Seite ist nicht ganz eindeutig, weshalb von im FDP-Antrag aber mit Zahlen von etwa 23000 sportlich engagierten Bürgern gearbeitet wird, ist unverständlich. Eben diese 23000 Bürger werden als Divisor herangezogen um die Gelder für die Sportförderung auf unter einem Euro pro herunter zurechnen. Offiziell soll es eine konservative Schätzung sein, eigentlich ist aber eine Fehleinschätzung. Laut Satzung über die Förderung des Sports in der Hansestadt Greifswald soll die Sportförderung der Stadt vorrangig Kindern und Jugendlichen eine sportliche Betätigung ermöglichen und die eigenverantwortlichen Sportvereine unterstützen. Diese werden mit Hilfe der Sportförderung von der Zahlung der üblichen Gebühren befreit. Die Mittel für die Greifswalder Sportförderung sind laut Satzung freiwillige Aufgaben im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung, für den Sport ist der Landkreis Vorpommern-Greifswald zuständig. Die dafür vom Landkreis aufgewendeten Mittel werden durch die Kreisumlage bezahlt, erscheinen daher nicht einmal im Greifswalder Haushalt als für den Sport getätigte Ausgaben, also noch nicht einmal in der Milchbubenrechnung der FDP.

Sparen ist schön und gut, aber an der richtigen Stelle! Wenn man bei einem Auto die Räder entfernt, wird es zwar leichter, aber nicht unbedingt schneller…

PS Der Antrag wurde gegen die Stimmen der FDP abgelehnt.