Klein und eng ist der Raum in dem sich Louise (Frederike Duggen) wiederfindet. Wo bin ich? Was ist passiert? Fragen über Fragen, die sie auf diese bekommen soll, klingen einfach zu erschreckend. Diese gibt ihr Mark (Sören Ergang), der sich mit ihr in seinem Schutzbunker befindet, für den er von seiner Umwelt verspottet wurde. Er, der mutige Held hat sie vor einem atomaren Anschlag gerettet und in seinem Bunker gebracht, wo sie dank seiner Hilfe überlebt hat. Dennis Kelly siedelt die Handlung der Geschichte in einem Bunker an, einem Ort, an dem beide Protagonisten gefangen sind. Verlassen können sie ihn nicht, denn dann würden sie an der atomaren Strahlung sterben, die außerhalb des Bunkers vorherrscht. Vorausgesetzt dass Mark die Wahrheit gesagt hat und die Ereignisse tatsächlich eingetroffen sind. Was aber wenn nicht? Mark lässt Louise keine Wahl, sie muss seine Wahrheit akzeptieren. Ob Lügen oder brutale Gewalt, Mark wird wird im Laufe der Handlung jedes Mittel recht, um der Frau die er liebt, seine Macht zu demonstrieren. Wenn sie ihn schon nicht aus freien Stücken liebt, dann muss er sie dazu zwingen.
Aus dem netten jungen Mann, wird ein sadistischer Diktator, der seiner Meinung nach alleine weiß, was für Louise gut ist und sie bestraft, wenn sie nicht das macht, was er von ihr verlangt. Aus der anfänglichen Sympathie, die Louise für ihren Retter empfand, den sie als Mann aber höchst unattraktiv findet, entwickelt sich statt der von Mark erwarteten Liebe zu ihm nur tiefe Hassgefühle und eine innere Kraft mit der sie gegen ihre brutale Behandlung ankämpfen kann. Aus der anfangs noch ängstlichen aber selbstbewussten Louise entwickelt sich eine Frau, die sich mit aller Macht aus ihrer unfreiwilligen Lage befreien will, und es schafft, indem sie sich eines Messers bemächtigen kann. Die Kontrolle über die Situation besitzt Louise aber nur solange sie es schafft wach zu bleiben. Die darauf folgende Machtdemonstration des wieder zum Zuge gekommenen Mark fällt dementsprechend brutal aus.
Die Stücke die der britische Dramatiker Dennis Kelly verfasst sind zumeist sehr tagesaktuell und gesellschaftskritisch. Seine Werke werden daher gern und oft aufgeführt. Mit Nach dem Ende und Waisen gab es gleich mehrere Inszenierungen am Theater der Altmark in Stendal, wo die Spielzeit 2011/12 unter dem Motto Angst(frei) stand. Nachdem schon Waisen seinen Weg auf die vorpommerschen Bühnen gefunden hat, macht sich nun die Regisseurin Julia Heinrichs daran, dem hiesigen Publikum einen Schock zu versetzen, denn in ihrer Inszenierung des Stückes hat sie kein Problem die Leute mit der blanken Wahrheit zu konfrontieren. Jan Steinbachs Inszenierung von Der weiße Heiland, für die er die historische Geschichte als einen Kampf der Kulturen in die heutige Zeit verlegte und Waterboarding auf der Bühne darstellte, dürfte gegen die realitätsgetreue Darstellung einiger Szenen in Nach dem Ende wie das kindliche Spiel in einem Sandkasten wirken.
Während andere Regisseure Passagen wegließen oder Geschehen nur andeuteten, ist die Gewalt für die Inszenierung von Julia Heinrichs ein Bestandteil der Handlung. Die zwischenmenschliche Gewalt ist ein Aspekt, den man nicht so einfach verharmlosen kann. Die Gewalt bestimmt das Geschehen, die Gewalt verbreitet Ängste. Man kann die jeweiligen Gefühle der beiden Protagonisten nicht glaubhaft darstellen, wenn man diese offensichtlich nicht der Gewalt aussetzt. So sollen auch dem Publikum die drastischeren Szenen nicht erspart bleiben, wie beispielsweise die, in welcher Louise Mark mit einem Messer entmannen will oder ihre spätere Vergewaltigung. Julia Heinrichs verharmlost nichts. Sie lässt Frederike Duggen und Sören Ergang diese Szenen so spielen, dass die gezeigte Gewalt für das Publikum so glaubwürdig wie möglich vermittelt wird. Damit überschreitet sie vieleicht einige Grenzen, damit provoziert sie garantiert auch einen Teil des Publikums. Aber warum eigentlich (nicht)?
Premieren
10. März 2013 – 18:00 Uhr Rubenowsaal Greifswald
21. März 2013 – 20:00 Uhr Theater Stralsund