Die Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald beauftragt den Oberbürgermeister eine Richtlinie zur Durchsetzung des Verbots von Silvesterfeuerwerk in den Stadtteilen Eldena, Innenstadt, Steinbeckervorstadt, Mühlenvorstadt und Fleischervorstadt zur Beschlussfassung in der Bürgerschaftssitzung am 16. Dezember 2020 vorzulegen. Diese Richtlinie soll auch die Genehmigung von Ausnahmen enthalten.
Würde es nach den Greifswalder Sozialdemokraten gehen, würde nicht nur das diesjährige Silvester etwas anders ausfallen als in den Jahren zuvor. In dieser wie eine Dystopie wirkende Fantasie machen sich zum Jahreswechsel Menschenmassen auf den Weg in den Teil der Stadt, in dem sie wieder frei sein, und wie gewohnt das neue Jahr begrüßen können. Um das zu können, müssen sie den beschwerlichen Weg hinter sich bringen und die gläserne Grenze überwinden, der die Stadt unbarmherzig teilt. Und so wird ein Teil der Greifswalder zu Republikflüchtlingen, welche ähnlich wie zu DDR-Zeiten den „antifaschistischen Schutzwall“, den Karl-Liebknecht-Ring überwinden müssen, glücklicherweise ohne Mauerschützen im Rücken, um hier ihre Silvesterraketen abfeuern zu können.
Anders als in ihrer Heimat, in der sie anschließend zurückkehren werden, treten hier keine der Probleme auf, mit welchen das Verbot der Silvesterfeuerwerke begründet werden. Anders als auf der Westseite der Hans-Beimler-Straße verursachen die Feuerwerke keinerlei Belästigungen oder gesundheitlichen Einschränkungen bei älteren und kranken Menschen, auch Kleinkinder und die in der Stadt lebenden Haustiere leiden hier wie durch ein Wunder nicht. Auch was die Umwelt betrifft, sind die Auswirkungen der hier abgefeuerten Raketen völlig zu vernachlässigen. Es gibt hier keinerlei Feinstaubbelastung und auch den Müll, der für gewöhnlich am Jahresanfang die Straßen, Plätze und Grünanlagen der Stadt verdreckt, wird man hier nicht finden können.
Der Weg über die Hans-Beimler-Straße lässt die Menschen in ein Paradies treten, welches sie in den Greifswalder Stadtteilen Eldena, Innenstadt, Steinbeckervorstadt, Mühlenvorstadt und Fleischervorstadt offenbar nicht finden können. Denn nur hier treten die massiven Probleme auf, welche mit der Einschränkung des Silvesterfeuerwerks betitelten Beschlussvorlage P/07/0196 endlich gelöst werden sollen. Nur ist dieses Paradies nicht existent. Offenbar gehen den Greifswalder Sozialdemokraten, oder besser gesagte den Mitgliedern der Bürgerschaftsfraktion, die Belange der Menschen in den Stadtteilen am Arsch vorbei, in denen sie nicht selber wohnen. Anders kann man sich die selektive Wahrnehmung erklären, mit denen der Antrag begründet wird.
Vorgeschoben wird eine im letzten Jahr vorgenommene Befragung, an der zweitausend Leute teilgenommen haben, wobei sich in den in der Beschlussvorlage aufgelisteten Stadtteilen eine Mehrheit für ein Verbot von Feuerwerkskörpern ausgesprochen haben soll. Während man ein Verbot von Feuerwerk in Wieck aufgrund der vielen Reetdächer zurecht mit Brandschutz erklären kann, ist die Auswahl der schützenswertesten Stadtteile rein willkürlich. In gewisser Weise würde auch der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt werden, weil man einigen Leuten etwas verbietet zu tun, was wiederum aber anderen Leuten erlaubt ist, nur, weil sie in einem anderen Stadtteil wohnen. Da die von der SPD-Fraktion geforderte Verbotssatzung auch die Beschlagnahme der Feuerwerkskörper und Verwarnungsgelder beinhalten soll, wäre ein Feuerwerktourismus vorprogrammiert.
Zur Not geht man einfach über die Straße in den Teil der Stadt, wo das Anzünden von Feuerwerk erlaubt ist, und erhöht dann dort völlig legal den Lärm, den Feinstaub und die Umweltverschmutzung. Die Bevölkerung der Südstadt und Schönwalde, beziehungsweise dem Ostseeviertel, denn Eldena ist ja auch nicht allzu weit entfernt, werden die Verlagerung des zusätzlichen Lärms und Drecks wohl nicht unbedingt freudig aufnehmen. Hoffnung für die Feunde des Silvesterfeuerwerks kommt auch aus den zuständigen Ortsteilvertretungen Eldena beziehungsweise Innenstadt, in denen es eine deutliche Mehrheit gegen diesen Antrag gab.